Immer mehr Menschen in der Schweiz suchen psychotherapeutische Unterstützung, sei es wegen Stress, Depressionen, Angststörungen oder ADHS. Doch viele fragen sich: «Was zahlt die Krankenkasse eigentlich?» Seit einer entscheidenden Reform im Jahr 2022 hat sich das Abrechnungsmodell deutlich verändert. Damit verbunden sind neue Möglichkeiten, aber auch klare Rahmenbedingungen. Wir zeigen auf, welche Leistungen durch die Grundversicherung (OKP) abgedeckt sind, welche Rolle Ärztinnen und Ärzte dabei einnehmen und in welchen Fällen eine Zusatzversicherung hilfreich sein kann (Richter, Köhler, & Streit, 2025).
Psychotherapie über die Grundversicherung: Das Anordnungsmodell
Seit dem 1. Juli 2022 gilt in der Schweiz das sogenannte Anordnungsmodell. Dieses ermöglicht es psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, ihre Leistungen direkt über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) abzurechnen, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die wichtigste Bedingung: Eine Ärztin oder ein Arzt der Grundversorgung muss die Therapie anordnen (Richter, Köhler, & Streit, 2025). Das bedeutet im Einzelnen:
- Die psychologische Psychotherapie ist nur dann von der Krankenkasse gedeckt, wenn eine ärztliche Anordnung vorliegt, beispielsweise durch den Hausarzt, die Gynäkologin oder einen anderen Arzt der Grundversorgung (Richter, Köhler, & Streit, 2025).
- Die Behandlung darf nur durch Fachpersonen mit abgeschlossener Weiterbildung in Psychotherapie sowie kantonaler Berufsausübungsbewilligung durchgeführt werden (Richter, Köhler, & Streit, 2025).
- Es müssen psychische oder psychosomatische Erkrankungen mit Krankheitswert vorliegen, wie zum Beispiel:
- Depressionen
- Angst- und Panikstörungen
- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
- Essstörungen
- Zwangsstörungen oder somatoforme Störungen
Damit soll sichergestellt werden, dass die Leistungen nur dann übernommen werden, wenn ein klarer therapeutischer Bedarf besteht, und dass qualifizierte Fachpersonen zum Einsatz kommen. Das Modell vereinfacht den Zugang zur Therapie deutlich, schafft aber auch Transparenz und Qualitätssicherung (Richter, Köhler, & Streit, 2025).
Wie viele Sitzungen zahlt die Grundversicherung?
Die Grundversicherung übernimmt psychotherapeutische Sitzungen im Rahmen des sogenannten Anordnungsmodells, jedoch nur in einem klar definierten Umfang (Stulz et al., 2023). Der Ablauf gliedert sich in drei Stufen:
Erste Phase: 15 Sitzungen
Zu Beginn übernimmt die Grundversicherung die Kosten für 15 psychotherapeutische Sitzungen, sofern eine ärztliche Anordnung vorliegt. Dies ermöglicht einen unkomplizierten Einstieg in die Therapie und dient der ersten Einschätzung sowie Behandlung der psychischen Beschwerden (Stulz et al., 2023).
Verlängerung: weitere 15 Sitzungen
Besteht weiterhin ein therapeutischer Bedarf, kann die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt eine zweite Serie von 15 Sitzungen anordnen. Eine erneute formale Begutachtung ist dafür nicht nötig, es reicht die medizinische Einschätzung des Arztes oder der Ärztin (Stulz et al., 2023).
Ab der 31. Sitzung: Kostengutsprache erforderlich
Ab der 31. Sitzung muss die Krankenkasse eine Kostengutsprache erteilen, bevor weitere Sitzungen übernommen werden. Hierfür wird in der Regel ein ausführlicher Bericht einer psychologischen oder psychiatrischen Fachperson benötigt, der die Notwendigkeit der fortgeführten Behandlung begründet. Oft erfolgt zusätzlich eine fachärztliche Begutachtung (Stulz et al., 2023).
Zusätzlich wichtig zu wissen:
Auch bei durch die OKP gedeckten Leistungen gelten wie bei allen medizinischen Behandlungen die üblichen Kostenbeteiligungen:
- Franchise: jährlicher Selbstbehalt, je nach Wahl zwischen CHF 300 und CHF 2’500
- Selbstbehalt: 10% der Kosten, sobald die Franchise aufgebraucht ist
Die Anzahl der bezahlten Sitzungen bezieht sich stets auf eine spezifische Diagnose und eine bestimmte Behandlungsperiode. Bei neuen Beschwerden kann eine erneute Anordnung möglich sein (Stulz et al., 2023).
Fazit: Wer Psychotherapie über die Grundversicherung nutzen möchte, sollte den strukturierten Ablauf kennen und frühzeitig mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin die nächsten Schritte besprechen, insbesondere bei fortlaufendem Therapiebedarf (Stulz et al., 2023).
Wer darf psychotherapeutische Leistungen abrechnen?
Nicht alle Therapeutinnen und Therapeuten in der Schweiz können direkt über die Grundversicherung (OKP) abrechnen. Damit eine Abrechnung zulässig ist, müssen bestimmte gesetzliche und fachliche Anforderungen erfüllt sein (Beeler, Lüscher, & Sulser, 2003). Die wichtigsten Voraussetzungen sind:
- Ein abgeschlossenes Psychologiestudium (Masterabschluss)
- Eine anschliessend absolvierte, anerkannte Weiterbildung in Psychotherapie (meist mehrere Jahre berufsbegleitend)
- Eine kantonale Berufsausübungsbewilligung als psychologische Psychotherapeutin bzw. psychologischer Psychotherapeut
- Eine selbständige Berufsausübung (früher war zusätzlich die Anstellung bei einer Psychiaterin oder einem Psychiater nötig, das ist heute nicht mehr erforderlich)
Diese Regelung sorgt dafür, dass nur qualifizierte Fachpersonen über die obligatorische Grundversicherung abrechnen können. Sie stellt sicher, dass die therapeutische Behandlung bestimmten Qualitätsstandards entspricht (Beeler, Lüscher, & Sulser, 2003).
Therapeutinnen und Therapeuten, die sich noch in Ausbildung befinden oder keine kantonale Berufsausübungsbewilligung haben, können ihre Leistungen nicht über die Grundversicherung abrechnen (Beeler, Lüscher, & Sulser, 2003). In diesen Fällen:
- Müssen die Kosten privat übernommen werden
- Oder es kann, je nach Police, eine Zusatzversicherung einspringen, die einen Teil der Kosten erstattet
Tipp: Wer in psychotherapeutischer Behandlung ist oder diese plant, sollte frühzeitig abklären, ob die Therapeutin oder der Therapeut über die nötige Zulassung verfügt, um über die Grundversicherung abzurechnen. Das kann spätere Überraschungen vermeiden und erleichtert die Kostenerstattung durch die Krankenkasse (Beeler, Lüscher, & Sulser, 2003).
Online Psychotherapie und Krankenkasse: Was ist möglich?
Auch Online-Psychotherapie in der Schweiz kann über die Krankenkasse abgerechnet werden, sofern die obigen Bedingungen erfüllt sind (Noll, Zimmermann, & Pless, 2023). Das bedeutet konkret:
- Es liegt eine ärztliche Anordnung vor: Diese muss von einer Ärztin oder einem Arzt der Grundversorgung (z. B. Hausarzt, Gynäkologin, Psychiater) ausgestellt werden und dokumentiert die medizinische Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Behandlung.
- Die Therapie wird von einer zugelassenen Fachperson mit kantonaler Praxisbewilligung durchgeführt: Nur so ist eine Abrechnung über die OKP möglich. Dabei handelt es sich in der Regel um psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit abgeschlossener Weiterbildung.
- Die Online-Sitzungen erfüllen die formalen Anforderungen: Dazu zählt insbesondere die Nutzung sicherer Videotelefonie-Systeme, die dem Datenschutz und den Vorgaben der Gesundheitsbehörden entsprechen.
Online-Psychotherapie eignet sich insbesondere für Menschen, die in ländlichen Regionen wohnen, mobil eingeschränkt sind oder ein diskretes Setting bevorzugen. Auch in akuten Lebensphasen (z. B. bei Belastung durch chronischen Stress, ADHS oder Angststörungen) bietet das digitale Format eine flexible und schnelle Hilfe (Noll, Zimmermann, & Pless, 2023).
Vorteile der Online-Psychotherapie mit OKP-Abrechnung:
- Zeitersparnis durch Wegfall von Anfahrtswegen
- Mehr Flexibilität bei der Terminwahl
- Niedrigere Hürde für den Therapieeinstieg, insbesondere bei sozialen Ängsten
- Gleiche Qualitätsstandards wie bei Präsenzsitzungen
Wichtig: Auch bei Online-Behandlungen gelten alle Anforderungen der OKP. Wer beispielsweise ADHS online behandeln lassen möchte, kann die Unterstützung durch die Grundversicherung nutzen, sofern eine ärztliche Anordnung vorliegt und die Behandlung durch eine anerkannte Fachperson erfolgt. Deshalb sollte vor Therapiebeginn unbedingt geklärt werden, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind, um die Kostenübernahme sicherzustellen (Noll, Zimmermann, & Pless, 2023).Was zahlt die Zusatzversicherung?
Nicht jede Therapieform oder jeder Anbieter ist über die Grundversicherung abgedeckt (Noll, Zimmermann, & Pless, 2023). Hier kann eine Zusatzversicherung sinnvoll sein:
- Sie deckt therapeutische Leistungen ohne ärztliche Anordnung ab
- Auch Therapeutinnen und Therapeuten ohne kantonale Zulassung (z. B. in Ausbildung) können teilweise vergütet werden
- Zusätzliche Sitzungen oder spezielle Therapieverfahren (z. B. EMDR, Hypnotherapie) werden gelegentlich anteilig erstattet
Allerdings unterscheiden sich die Leistungen stark je nach Versicherung und Tarifmodell (Noll, Zimmermann, & Pless, 2023). Beispiele:
- Helsana TOP/Omnia: bis zu 75% der Kosten, maximal CHF 3’000 pro Jahr
- Visana Ambulant III: bis zu 80%, maximal CHF 5’000 pro Jahr
Vor Abschluss sollte genau geprüft werden, ob die gewünschten Leistungen enthalten sind. Ein Vergleich lohnt sich (Noll, Zimmermann, & Pless, 2023).
Psychotherapie Schweiz Kosten: Wie hoch sind sie?
Die Kosten für eine Psychotherapie in der Schweiz variieren je nach Anbieter, Setting und Qualifikation der Fachperson. In der Regel liegt der Preis für eine Einzelsitzung von 50 Minuten zwischen
CHF 150 und 220. Auch bei Online-Therapie können sich Preisunterschiede ergeben, teils ist sie etwas günstiger, teils gleich teuer wie Präsenztherapie (Stucki et al., 2023).
Ein Überblick über die häufigsten Kostenmodelle:
- Bei OKP-Abrechnung (also über die Grundversicherung) gelten feste Tarife, beispielsweise CHF 154.80 pro Sitzung. Dieser Betrag ist in der ganzen Schweiz standardisiert, sofern eine ärztliche Anordnung vorliegt und die Therapeutin bzw. der Therapeut über eine Berufsausübungsbewilligung verfügt.
- Ohne ärztliche Anordnung oder bei nicht anerkannten Therapeutinnen und Therapeuten (z. B. ohne kantonale Zulassung) müssen die vollen Kosten privat übernommen werden. Das gilt auch für viele Coaching-Angebote, Beratung ohne Krankheitswert oder Therapien durch Personen in Ausbildung.
- Die tatsächliche Belastung für Patientinnen und Patienten hängt von der gewählten Franchise ab. Bei hohen Franchisen (z. B. CHF 2’500) ist die Psychotherapie oft erst nach deren Erreichen vollständig durch die Grundversicherung gedeckt. Bis dahin trägt man die Kosten selbst.
- Einige Zusatzversicherungen übernehmen freiwillig einen Anteil der Kosten, auch ohne Anordnung, etwa zwischen 50% und 80%, abhängig vom Anbieter.
Tipp zur Kostenkontrolle:
- Vor Therapiebeginn schriftlich klären, ob die Sitzungen über die OKP oder privat laufen
- Franchise und Selbstbehalt bei der Krankenkasse prüfen
- Bei Zusatzversicherung: konkrete Erstattungsbedingungen einsehen
So lassen sich unerwartete Kosten vermeiden und man weiss genau, mit welcher finanziellen Beteiligung zu rechnen ist (Stucki et al., 2023).
Fazit: Psychotherapie Schweiz Krankenkasse: das Wichtigste auf einen Blick
- Mit ärztlicher Anordnung werden psychologische Psychotherapien durch die Grundversicherung bezahlt
- Die ersten 15 Sitzungen sind unkompliziert, danach braucht es weitere ärztliche Bestätigungen bzw. eine Kostengutsprache
- Online Psychotherapie ist OKP-fähig, wenn alle formellen Bedingungen erfüllt sind
- Eine Zusatzversicherung kann sich lohnen, vor allem für mehr Flexibilität und ohne Anordnung
- Wichtig ist, sich frühzeitig zu informieren, welche Leistungen konkret abgedeckt sind
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