ADHS & Reisen: Stressfrei unterwegs in der Schweiz

Veröffentlicht am: 01. Oktober 2025
Zuletzt ärztlich geprüft am: 07. Oktober 2025

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Porträt von Dr. med. Jens Westphal, Praktischer Arzt FMH und medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch. Er begleitet Patientinnen und Patienten in der Schweiz bei der Abklärung und Behandlung von ADHS. Das Bild zeigt ihn vor einem klaro-Hintergrund als Teil des ärztlichen Teams für ADHS Schweiz.

Dr. med. Jens Westphal

ADHS-Spezialist und Praktischer Arzt (FMH)
Dr. med. Jens Westphal ist Praktischer Arzt (FMH) mit langjähriger Erfahrung in der hausärztlichen Versorgung und Psychiatrie. Er ist medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch und prüft alle Inhalte rund um ADHS, Diagnostik und Therapie auf wissenschaftliche Genauigkeit und praktische Umsetzbarkeit in der Schweizer Grundversorgung.

Inhaltsverzeichnis

Reisen verspricht Abwechslung, neue Eindrücke und die Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen. Für Menschen mit ADHS bedeutet das allerdings nicht automatisch Erholung, ganz im Gegenteil: Die vielen ungewohnten Reize, der Verlust von Routinen, Zeitdruck und ungeplante Zwischenfälle können das Nervensystem schnell überfordern. Plötzlich ist da nicht nur Vorfreude, sondern auch Stress, Reizüberflutung und Chaos im Kopf (Stott et al., 2025).

Typische Gedanken vor der Reise: „Habe ich alles eingepackt?“, „Was, wenn ich meinen Anschluss verpasse?“, „Wie soll ich mich im Flugzeug konzentrieren?“, Für Menschen mit ADHS sind diese Fragen nicht nur lästig, sondern potenziell lähmend. Viele Betroffene berichten davon, dass sie Reisen als anstrengend, überwältigend oder sogar angstauslösend empfinden. Und doch: Mit der richtigen Planung und ein paar erprobten Strategien kann das Reisen mit ADHS nicht nur funktionieren, sondern sogar richtig guttun (Stott et al., 2025).

In diesem Artikel zeigen wir dir, wie du Urlaube und Kurztrips mit ADHS erfolgreich meisterst, von der Vorbereitung über die Packliste bis hin zur Tagesplanung vor Ort. Ob du mit dem Zug durch die Schweiz reist, einen Roadtrip planst oder einen Städtetrip ins Ausland machst: Diese Tipps helfen dir, strukturiert, entspannt und ohne Panik unterwegs zu sein (Stott et al., 2025).

  1. Reisevorbereitung mit Struktur: warum Planung der halbe Urlaub istEine Person plant ihre nächste Reise und zeigt auf eine Landkarte, umgeben von Laptop, Kamera, Pass und Kaffee. Für Menschen mit ADHS kann Reiseplanung helfen, Reizüberflutung vorzubeugen – gerade in der Schweiz, wo strukturierte Vorbereitung essenziell sein kann.

Für viele beginnt die Erholung nicht erst am Urlaubsort – sondern schon bei der Planung. Gerade für Menschen mit ADHS kann die Zeit vor der Abreise darüber entscheiden, ob die Reise entspannt oder chaotisch verläuft. Denn: ADHS bedeutet häufig, dass man schneller den Überblick verliert, sich schwerer entscheiden kann und unter Zeitdruck noch leichter in Stress gerät. Viele Reize auf einmal, etwa Buchungsportale, Vergleichsmöglichkeiten, To-dos, überfordern das Gehirn. Umso wichtiger ist es, sich eine klare Struktur zu schaffen, bevor es überhaupt losgeht.

Frühzeitig planen und Zeitpuffer einbauen

Last-Minute funktioniert bei ADHS meist nur bedingt. Spontane Buchungen, überfüllte Koffer oder nicht vorhandene Unterlagen führen schnell zu emotionalem Stress, Reizüberflutung oder sogar Panik. Deshalb ist es sinnvoll, mindestens vier bis sechs Wochen vor der Abreise mit der Planung zu beginnen – auch bei Kurztrips.

Tipp: Baue bewusst Pufferzeiten ein. Plane z. B. die letzten zwei Tage vor der Reise ohne berufliche oder soziale Verpflichtungen. So hast du Spielraum für Unerwartetes (z. B. Wetterwechsel, vergessene Einkäufe, Medikamentenbeschaffung) und startest entspannter (Stott et al., 2025).

Reiseroute visualisieren, Klarheit für Kopf & Körper

Menschen mit ADHS profitieren besonders von visueller Planung. Ein Kalender, eine App wie „TripIt“, ein Reisetagebuch oder einfach eine handschriftliche Übersicht helfen dabei, den Ablauf greifbar zu machen (Stott et al., 2025).

Plane idealerweise nur eine Hauptaktivität pro Tag, z. B. ein Ausflug oder Museumsbesuch. Achte darauf, dass die Aktivitäten nicht zu eng getaktet sind, Zwischenzeiten für Regeneration und Pausen sind entscheidend. Auch sogenannte «Buffer Days» sind wertvoll, also Tage, an denen gar nichts geplant ist und du spontan entscheiden kannst, wie du sie verbringst (Stott et al., 2025).

Visualisierungsideen:

  • Farbcodes für entspannte, aktive und soziale Tage
  • Icons (z. B. Sonne für Strandtag, Schuh für Wandern)
  • Ein Wochenplan auf dem Kühlschrank oder Handybildschirm

Flexibilität einbauen, Struktur mit Spielraum

Struktur ist bei ADHS wichtig, doch zu viel davon kann erdrücken. Plane deshalb von Anfang an Flexibilität mit ein. Erlaube dir Pausen, Planänderungen oder alternative Optionen, ohne gleich das Gefühl zu haben, „versagt“ zu haben.

Beispiel: Anstatt „Mittwoch: Stadtführung von 10:00–13:00 Uhr“ schreib lieber: „Mittwochvormittag: Möglichkeit zur Stadtführung, bei Bedarf Ruhetag“. So bleibst du handlungsfähig, ohne dich selbst unter Druck zu setzen.

Tipp: Notiere dir im Vorfeld «Plan B»-Aktivitäten, z. B. ein Café oder Park in der Nähe des geplanten Ausflugs. So musst du im Fall der Fälle nicht unter Stress nach Alternativen suchen.

Countdown-Listen: Mini-Schritte statt To-do-Berge

ADHS-Betroffene fühlen sich schnell überwältigt, wenn sie auf einen Blick 15 Aufgaben sehen, auch wenn jede einzelne machbar wäre. Eine clevere Methode ist daher die Countdown-Strategie: Du verteilst alle To-dos auf einzelne Tage vor der Abreise und gehst sie schrittweise an (Liao et al., 2024).

Beispiel für eine 2-Wochen-Countdown-Liste:

  • Tag 14: Reiseapotheke prüfen, Rezepte erneuern
  • Tag 12: Packliste erstellen, wettercheck machen
  • Tag 10: Wichtige Unterlagen ausdrucken, digitale Kopien sichern
  • Tag 7: Kleidung vorbereiten, letzte Einkäufe
  • Tag 5: Ladekabel, Geräte, Kopfhörer bereitlegen
  • Tag 3: Packen Teil 1 (Kleidung), Snacks kaufen
  • Tag 1: Handgepäck packen, Wecker stellen, Reisedokumente kontrollieren

Solche Listen nehmen Druck raus, denn du musst dich nur um die Aufgabe von heute kümmern. Das wirkt entlastend auf das Arbeitsgedächtnis und schafft Klarheit im Kopf (Liao et al., 2024).

  1. Packen mit System: Chaos vermeiden, Klarheit schaffen

Für Menschen mit ADHS ist das Packen oft eine der stressigsten Phasen vor einer Reise. Es gibt viele kleine Entscheidungen, unzählige Kleinigkeiten, an die man denken muss und das Gefühl, ständig etwas vergessen zu haben. Mit einem durchdachten System lässt sich dieser Stress deutlich reduzieren (Liao et al., 2024).

Checklisten als Anker

Erstelle eine Packliste in Kategorien: Kleidung, Technik, Hygiene, Medikamente, Reisedokumente, Snacks, Unterhaltung, Spezialbedarf (z. B. Schlafmaske, Kopfhörer). Nutze am besten Apps wie „PackPoint“ oder klassische Papierlisten, je nachdem, was für dich am besten funktioniert.

Tipp: Nutze Farben oder Symbole zur besseren Orientierung, zum Beispiel grün für «schon gepackt», rot für «noch offen».

Visuelles Packen

Breite alles, was mit soll, sichtbar auf dem Bett oder dem Boden aus. So hast du einen visuellen Überblick, was hilft, um Dopplungen zu vermeiden und Lücken zu erkennen.

Falls du zur Impulsivität neigst, hilft die Regel: Erst alles rauslegen, dann erst einpacken.

Strategisch packen

Verstaue wichtige Dinge in der Reihenfolge, in der du sie brauchst: Medikamente, Reisedokumente und Technik ins Handgepäck, Kleidung und weniger Dringendes in den Koffer.

Tipp: Für ADHS sehr hilfreich sind durchsichtige Taschen oder kleine Beutel, in denen du ähnliche Dinge gruppierst (z. B. Technik-Zubehör, Hygiene, Snacks). Das spart später Nerven beim Suchen.

Sicherheits-Puffer

Packe wichtige ADHS-Medikamente mit doppeltem Sicherheitsgedanken: Ein Teil gehört ins Handgepäck, der andere in den Koffer, falls ein Gepäckstück verloren geht.

Auch wichtig: Ladegeräte, Notfallkontakte und ggf. eine Bescheinigung für Medikamente solltest du griffbereit haben, besonders bei Flugreisen ins Ausland (Liao et al., 2024).

  1. Reizmanagement unterwegs: achtsames Reisen mit ADHSDas Bild zeigt ein verzerrtes, mehrfach belichtetes Gesicht – Ausdruck innerer Unruhe, Überforderung oder emotionaler Dysregulation. Genau das erleben viele Menschen mit ADHS bei Reizüberflutung in der Schweiz. Das Bild steht sinnbildlich für das innere Chaos bei starker sensorischer Belastung.

Die grösste Herausforderung auf Reisen mit ADHS? Reizüberflutung. Neue Orte, ungewohnte Abläufe, viele Menschen, all das kann das Nervensystem schnell überfordern. Umso wichtiger ist es, Reize bewusst zu steuern und sich selbst Raum für Regeneration zu geben (Clinical and Cognitive Features, 2023).

Sensorische Pausen einplanen

Auch wenn du viel sehen willst, plane bewusst reizfreie Momente ein. Eine stille Bank im Park, ein Spaziergang am Wasser oder einfach 10 Minuten mit Noise-Cancelling-Kopfhörern im Hotelzimmer. Diese Mini-Auszeiten helfen, dein Nervensystem zu regulieren (Clinical and Cognitive Features, 2023).

Tipp: Blocke dir täglich eine feste „Pause von der Welt“, notfalls als Kalendereintrag.

Ohren, Augen, Haut: deine Reizfilter

Reize lassen sich nicht ganz vermeiden – aber man kann sie gezielt dämpfen:

  • Geräusche: Ohrstöpsel oder geräuschreduzierende Kopfhörer.
  • Licht: Sonnenbrille bei grellem Licht oder zu viele visuelle Eindrücke.
  • Berührungen: Bequeme Kleidung ohne kratzige Nähte oder Etiketten, ideal für lange Tage unterwegs.

Wenn du weisst, was dich typischerweise überreizt, kannst du dich bewusst vorbereiten.

Eigene Reaktionen kennen

Viele Menschen mit ADHS merken erst zu spät, dass sie überreizt sind, wenn Gereiztheit, Rückzug oder Überforderung schon da sind. Deshalb: Achte auf deine frühen Warnzeichen! Vielleicht wirst du ungeduldig, sprichst schneller, verlierst den Faden oder bekommst Kopfschmerzen?

Nutze diese Signale als Erinnerung: Jetzt kurz rausnehmen.

Ruhe vor Planänderung

Spontanität ist auf Reisen normal, doch bei ADHS kann sie Stress auslösen, wenn das Gehirn sich auf einen Ablauf eingestellt hatte. Übe den Umgang mit Planänderungen, indem du z. B. innerlich sagst: „Ich hatte eine Vorstellung, und jetzt übe ich, flexibel zu bleiben.“ Das nimmt den Druck und schafft eine gewisse Meta-Distanz (Clinical and Cognitive Features, 2023).

Tipp: Besprich geplante Änderungen (z. B. mit Reisebegleitung) frühzeitig, damit dein Kopf Zeit hat, sich neu zu sortieren.

  1. Reisetage strukturieren: Balance aus Aktivität und Erholung

Ein häufiger Stolperstein bei Reisen mit ADHS ist der Drang, zu viel auf einmal erleben zu wollen. Die Folge: Überforderung, Reizüberflutung und schlechte Stimmung. Dabei können strukturierte Reisetage genau das Gegenteil bewirken, nämlich Ruhe, Sicherheit und mehr Freude (Clinical and Cognitive Features, 2023).

Weniger ist mehr: eine Hauptsache pro Tag

Plane pro Tag maximal eine grosse Aktivität: ein Ausflug, eine Stadtbesichtigung, eine Wanderung. Alles andere, wie ein Cafébesuch oder Souvenirs shoppen, sollte optional bleiben. Das nimmt dir den Druck und lässt Raum für Spontanität.

Tipp: Schreibe dir morgens 3 Dinge auf, die du heute erleben willst, eine davon ist die Hauptsache, die anderen dürfen wegfallen.

Regelmässige Ruhephasen: kein Luxus, sondern Notwendigkeit

Plane täglich bewusst Pausen ein, selbst wenn du das Gefühl hast, noch Energie zu haben. Der ADHS-Bonus: Frühzeitige Erholung verhindert den typischen „Crash“ am Nachmittag oder Abend.

Ideal sind:

  • 30–60 Minuten Pause nach der Hauptaktivität
  • ein ruhiger Rückzugsort im Hotel oder im Grünen
  • leichte Snacks & Wasser zur Regeneration

Tipp: Wer unterwegs ist, kann auch in einer Kirche, Bibliothek oder einem ruhigen Innenhof neue Kraft tanken.

Tagesstruktur mit Spielraum

Auch wenn du spontan unterwegs bist, ein grober Tagesrahmen gibt Sicherheit. Zum Beispiel:

  • Vormittag: Hauptaktivität
  • Mittag: ruhige Pause
  • Nachmittag: freie Zeit
  • Abend: kleine Routine (Spaziergang, Tagebuch, Serie)

Dieser Rhythmus gibt deinem Nervensystem Orientierung, auch fern von zu Hause.

Visuelle Tagespläne nutzen

ADHS-Gehirne lieben visuelle Strukturen. Nutze To-do-Listen, Kalender-Apps oder sogar Skizzen deines Tagesablaufs. Auch kleine Checklisten für jeden Morgen (Medikamente, Wasserflasche, Tickets etc.) geben Klarheit und reduzieren Stress (Jiang et al., 2022).

  1. Reisen mit Medikamenten: sicher und gut vorbereitet unterwegs

Wenn du ADHS-Medikamente einnimmst, gehört deren Mitnahme und richtige Handhabung zu den wichtigsten Reisevorbereitungen. Besonders bei Reisen ins Ausland kann es sonst schnell zu Stress oder sogar Problemen an der Grenze kommen. Mit ein paar einfachen Regeln bist du jedoch bestens gewappnet (Jiang et al., 2022).

Vor der Reise: Medikamente planen und dokumentieren

Stelle sicher, dass du für die gesamte Reisedauer ausreichend Medikamente dabeihast, idealerweise ein paar zusätzliche Dosen für unerwartete Verlängerungen oder verlorenes Gepäck. Kläre mit deinem Arzt:

  • Wie viel du mitnehmen darfst
  • Ob sich dein Einnahmeplan durch Zeitzonen ändern muss
  • Ob du eine ärztliche Bescheinigung brauchst

Tipp: Lass dir ein kurzes Schreiben auf Englisch (oder Landessprache) ausstellen, das Wirkstoff, Dosierung und deine Diagnose nennt.

Reisen mit ADHS-Medikamenten ins Ausland

Bei Reisen innerhalb der Schweiz brauchst du in der Regel keine besondere Bescheinigung, bei Flugreisen ins Ausland jedoch schon. Viele ADHS-Medikamente gelten als Betäubungsmittel und unterliegen strengen Mitnahmevorschriften, selbst innerhalb Europas.

Für Länder des Schengen-Raums reicht meist:

  • eine ärztliche Bescheinigung (auch: Schengen-Formular)
  • beglaubigt durch die kantonale Gesundheitsdirektion bzw. Deine Apotheke

Für Reisen ausserhalb Europas: Kläre die Einfuhrbestimmungen frühzeitig mit der Botschaft des Ziellandes. In manchen Ländern sind ADHS-Medikamente verboten oder nur mit spezieller Genehmigung erlaubt.

Medikamente unterwegs griffbereit haben

Wichtige Tipps für die Mitnahme:

  • Medikamente nicht im aufgegebenen Gepäck verstauen, sondern im Handgepäck
  • Originalverpackung und Beipackzettel mitführen
  • Dosierung auf Reisen ggf. per Wecker oder App erinnern lassen (Zeitzonen beachten!)

Wenn du z. B. Methylphenidat einnimmst und eine lange Flugreise machst, sprich vorab mit deinem Arzt, wie du die Einnahme anpasst. Ein gut getakteter Einnahmeplan kann helfen, den Fokus trotz Jetlag zu bewahren(Jiang et al., 2022).

  1. Entspannung unterwegs, wie du Reizüberflutung vermeidestEine Frau mit Hut und Rucksack zieht einen Koffer durch eine geschäftige Stadtstraße. Menschen mit ADHS erleben in urbaner Umgebung oft Reizüberflutung – insbesondere auf Reisen in der Schweiz, wo neue Eindrücke und Reize schnell überfordern können.

Reisen bedeutet für viele Menschen mit ADHS nicht nur Vorfreude, sondern auch eine erhöhte Reizbelastung: neue Umgebungen, viele Eindrücke, ungewohnte Abläufe. Das kann schnell zu innerer Unruhe, Überforderung oder emotionalen Ausbrüchen führen. Mit den richtigen Strategien kannst du dem aber gezielt vorbeugen, und deine Reise bewusst geniessen (Jiang et al., 2022).

Reizquellen frühzeitig erkennen

Reizüberflutung entsteht oft schleichend, durch eine Kombination aus visuellen, auditiven und sozialen Reizen. Typische Auslöser auf Reisen:

  • Menschenmengen (Bahnhof, Flughafen, Märkte)
  • Lautstarke Umgebungen (Kinder, Verkehr, Hintergrundmusik)
  • Flackernde Displays oder grelles Licht
  • Unklare Abläufe oder Wartezeiten

Je früher du deine persönlichen Stressfaktoren kennst, desto besser kannst du sie aktiv vermeiden oder ausgleichen.

Kleine Pausen als Reizschutz

Plane regelmäßige Pausen ohne Input ein:

  • Rückzugsorte aufsuchen: ein ruhiger Park, ein Café mit gedämpfter Musik oder einfach das Hotelzimmer.
  • Kopfhörer mit Noise-Cancelling oder ruhige Musik helfen, sich sensorisch abzugrenzen.
  • Nutze Apps oder kurze Achtsamkeitsübungen (z. B. 4-7-8-Atemtechnik), um dein Nervensystem bewusst zu beruhigen.

Reize strukturieren statt ausschließen

Völlig reizfreie Räume sind auf Reisen selten, aber du kannst lernen, den Reizfluss zu steuern:

  • Vermeide es, zu viele Aktivitäten an einem Tag zu planen.
  • Füge visuelle Struktur hinzu: Notizen, Checklisten oder Tagespläne helfen, Unvorhersehbares zu reduzieren.
  • Ein fester Tagesrhythmus mit bekannten Ritualen (gleiche Frühstückszeit, abends lesen) bietet deinem Gehirn Sicherheit.

Emotionale Selbstregulation stärken

Reizüberflutung ist nicht nur körperlich spürbar, sondern wirkt sich auch stark auf die Emotionen aus. Übe daher gezielt:

  • Innere Check-ins: Frage dich mehrmals täglich „Wie geht es mir gerade?“
  • Akzeptiere deine Reaktion – sie ist nicht „übertrieben“, sondern ein Signal.
  • Halte kleine Strategien parat: Atemübungen, kurze Bewegungseinheiten oder ein beruhigender Geruch (z. B. Lavendelöl).

Tipp: Wenn du merkst, dass du gereizt oder erschöpft bist, nimm das ernst. Es ist völlig okay, eine Aktivität abzubrechen oder dich zurückzuziehen.

  1. Rückzugsorte schaffen: auch unterwegs den eigenen Raum findenDas Wort „RELAX“ liegt auf unzähligen Holzplättchen – ein Symbol für den Wunsch nach Ordnung im Chaos. Bei ADHS ist Reizüberflutung in der Schweiz oft Teil des Alltags, und gezielte Entspannungstechniken können helfen, Stress abzubauen. Eine kleine Erinnerung daran, sich Pausen zu gönnen.

Gerade auf Reisen fehlt oft das gewohnte Sicherheitsgefühl: Das Hotelzimmer ist fremd, der Tagesablauf ungewohnt, und Rückzugsmöglichkeiten sind begrenzt. Für Menschen mit ADHS ist es deshalb besonders wichtig, gezielt Orte und Strategien zur Reizregulation einzuplanen (Associations of executive, 2020).

Eigene Ruheinseln definieren

Sobald du an einem neuen Ort ankommst, schau dich bewusst um:

  • Wo kann ich mich zurückziehen? Gibt es eine ruhige Ecke im Hotel, eine Bank im Park oder ein Café mit wenig Publikumsverkehr?
  • Nutze auch kurze Zeitfenster gezielt, etwa morgens nach dem Aufstehen oder während andere noch schlafen.

Auch das eigene Hotelzimmer kann zum geschützten Raum werden, wenn du es bewusst dazu gestaltest:

  • Lieblingsmusik oder ein Duftspray mit vertrautem Geruch helfen, eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen.
  • Packe ein paar Reiseanker ein: ein vertrautes Kissen, eine Schlafmaske, ein Notizbuch.

Reizreduktion im Alltag unterwegs

Neben Orten sind auch mobile Rückzugsstrategien wichtig:

  • Trage Geräuschdämpfer oder Noise-Cancelling-Kopfhörer, besonders an Flughäfen, Bahnhöfen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln.
  • Erstelle dir eine «Safe-Sound»-Playlist, Musik, die dich nachweislich beruhigt oder stabilisiert.
  • Auch das bewusste Zurückziehen in Gedanken, z. B. mit Visualisierungen (ein Strand, Waldspaziergang) – kann helfen, kurzfristig zur Ruhe zu kommen.

Rückzug aktiv kommunizieren

Wenn du mit anderen reist, erkläre offen, dass du gelegentlich Pausen für dich brauchst – das reduziert Missverständnisse. Sätze wie:

„Ich brauche kurz eine Pause für mich, dann bin ich wieder ganz da“
helfen, deinen Rückzug nicht als Ablehnung, sondern als Selbstfürsorge zu kommunizieren.

Fazit: Rückzugsorte sind kein Luxus, sondern Notwendigkeit, vor allem bei ADHS. Wer seine Reizverarbeitung ernst nimmt, bleibt länger leistungsfähig, gelassener und kann den Urlaub letztlich mehr genießen.

Fazit: Reisen mit ADHS  mit Planung zur Entspannung

Urlaub mit ADHS kann stressig sein, muss er aber nicht. Mit etwas Vorbereitung, klaren Routinen und viel Selbstmitgefühl wird aus der Herausforderung ein echtes Erlebnis. Wer lernt, auf sich zu achten, Reize zu steuern und Pausen einzubauen, kann auch mit ADHS entspannt unterwegs sein. Und manchmal entdeckt man dabei sogar neue Stärken, wie Improvisationstalent, Neugier und Detailverliebtheit.

Rezensentenblock

Porträt von Dr. Almedina Berisha, Ärztin im Team von klaro-adhs.ch. Sie unterstützt Patientinnen und Patienten bei der Diagnostik und Therapie von ADHS in der Schweiz. Das Bild zeigt sie im weissen Arztkittel mit Stethoskop vor einem klaro-Hintergrund.

Almedina Berisha

Ärztin Innere Medizin
Almedina Berisha ist Ärztin für Innere Medizin in der Schweiz mit besonderem Interesse an psychosomatischen Zusammenhängen und neurobiologischen Faktoren von ADHS. Sie prüft medizinische Inhalte auf klaro-adhs.ch auf wissenschaftliche Genauigkeit, klinische Relevanz und patientenverständliche Darstellung. Ihr Fokus liegt auf einer praxisnahen Vermittlung komplexer Themen der Erwachsenenmedizin und psychischen Gesundheit.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

  • ADHS kann das Reisen zu einer besonderen Herausforderung machen: Neue Umgebungen, Zeitdruck, fremde Abläufe und viele Reize führen oft zu Stress oder Überforderung. Häufige Probleme sind Vergesslichkeit, Chaos beim Packen, Reizüberflutung und Schwierigkeiten, sich zu entspannen. Mit klarer Struktur, Checklisten und regelmässigen Pausen lässt sich das jedoch gut meistern. Eine durchdachte Vorbereitung und visuelle Planung helfen, das Reisen mit ADHS entspannter zu gestalten.

Quellenverzeichnis

  1. Stott, J., Gardner, F., et al. (2025). Life expectancy and years of life lost for adults with diagnosed ADHD in the UK matched cohort study. The British Journal of Psychiatry. Advance online publication. https://www.cambridge.org/core/journals/the-british-journal-of-psychiatry/article/life-expectancy-and-years-of-life-lost-for-adults-with-diagnosed-adhd-in-the-uk-matched-cohort-study/30B8B109DF2BB33CC51F72FD1C953739
  2. Liao, X., et al. (2024). Cognitive correlates of attention-deficit hyperactivity disorder in highly intelligent children and adolescents with ADHD. Journal of Neurodevelopmental Disorders. https://jneurodevdisorders.biomedcentral.com/articles/10.1186/s11689-020-9307-8
  3. Clinical and Cognitive Features of Attention Deficit Hyperactivity Disorder. (2023).
    Journal / Review. (ein Übersichtsartikel)
  4. Jiang, Y., et al. (2022).
    Static and Dynamic Assessment of Intelligence in ADHD Subtypes. Frontiers in Psychology, 13, Article 846052. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2022.846052/full 
  5. Associations of executive and functional outcomes with full-score IQ in ADHD. (2020).
    Journal / Forschung

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