Viele ADHS-Medikamente, insbesondere Stimulanzien wie Methylphenidat oder Lisdexamfetamin, beeinflussen direkt den Hirnstoffwechsel. Ihr Ziel: Die Verfügbarkeit bestimmter Neurotransmitter wie Dopamin und Noradrenalin erhöhen. Diese Botenstoffe sind entscheidend für Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Motivation, also genau jene Bereiche, in denen Menschen mit ADHS oft Schwierigkeiten haben (Nanda, Dhar & Thokala, 2023).
Doch genau dieser Wirkmechanismus kann auch Nebenwirkungen mit sich bringen, allen voran Appetitlosigkeit. Denn Dopamin wirkt nicht nur aktivierend, sondern auch appetithemmend. Die Folge: Das natürliche Hungergefühl wird unterdrückt, vor allem in den Stunden nach der Einnahme, wenn die Wirkung am stärksten ist (Nanda, Dhar & Thokala, 2023).
Typische Folgen einer medikamentös bedingten Appetitlosigkeit:
- Reduzierte Nahrungsaufnahme: Hauptmahlzeiten werden ausgelassen oder nur halb gegessen.

- Ungewollter Gewichtsverlust: Besonders bedenklich bei Kindern, Jugendlichen und sehr schlanken Erwachsenen.
- Energie- und Nährstoffmangel: Zu wenig Kalorien bedeuten auch zu wenig Eiweiss, Vitamine und Mineralstoffe.
- Körperliche Erschöpfung: Müdigkeit, Leistungsabfall und Konzentrationsprobleme können sich verschärfen.
- Wirkungseinbußen der Medikamente: Eine schlechte Nährstoffversorgung kann die Medikamentenwirkung selbst beeinträchtigen.
Langfristig kann sich Appetitlosigkeit auch negativ auf das Essverhalten auswirken, etwa durch Frustration, sozialen Druck oder gestörte Hunger-Sättigungs-Signale. Umso wichtiger ist es, frühzeitig gegenzusteuern, idealerweise gemeinsam mit Ärzten oder Ernährungstherapeuten (Nanda, Dhar & Thokala, 2023).
5 Strategien gegen Appetitlosigkeit durch ADHS-Medikamente
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Einnahmezeitpunkt bewusst wählen
Die Tageszeit der Medikamenteneinnahme hat grossen Einfluss auf das Hungergefühl. Ziel ist, die Wirkzeit so zu legen, dass sie nicht mit Hauptmahlzeiten kollidiert (Casas et al., 2024).
Empfohlene Zeiteinteilung:
- Frühstück vor der Einnahme: Das Hungergefühl am Morgen nutzen, um eine vollwertige Mahlzeit zu sich zu nehmen.
- Mittagessen nach der Wirkspitze: Etwa 4–5 Stunden nach Einnahme kehrt der Appetit meist zurück.
- Abendessen bei Bedarf später planen: So lässt sich ein verspätetes Hungergefühl besser nutzen.
Wichtig: Änderungen immer ärztlich absprechen, kleine Anpassungen können grosse Wirkung zeigen (Casas et al., 2024).
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Hochkalorische Snacks einbauen
Wer keine grossen Portionen schafft, sollte auf nährstoffreiche Mini-Mahlzeiten setzen. Diese liefern Energie, auch wenn der Appetit gering ist (Casas et al., 2024).
Snack-Ideen für zwischendurch:
- Nüsse, Nussmuse oder Studentenfutter
- Avocado-Toasts mit Olivenöl
- Griechischer Joghurt mit Honig oder Datteln
- Haferflockenriegel, Energy Balls oder selbstgemachte Müsliriegel
- Käsewürfel mit Trauben, Birnenscheiben oder Datteln
Tipp: Snacks sichtbar platzieren, z. B. in Griffnähe auf dem Schreibtisch oder in der Küche (Casas et al., 2024).
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Flüssige Kalorien clever nutzen
Wenn feste Mahlzeiten schwerfallen, können flüssige Alternativen helfen, die Nährstoffzufuhr aufrechtzuerhalten (Leddy et al., 2023).
Beispiele für nährstoffreiche Getränke:
- Shakes mit Vollmilch, Joghurt, Nussdrinks oder Hafermilch
- Zusätze wie Haferflocken, Erdnussbutter, Chiasamen oder Leinöl
- Obst und Energieträger wie Banane, Datteln, Avocado oder Mandelmus
- Bei Bedarf medizinische Trinknahrung (nach ärztlicher Rücksprache)
Vorteil: Flüssige Kalorien werden oft besser toleriert und wirken weniger sättigend als feste Nahrung (Leddy et al., 2023).
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Appetit anregen mit Ritualen & Atmosphäre
Essen ist mehr als reine Nahrungsaufnahme, auch Umfeld und Stimmung spielen eine Rolle (Leddy et al., 2023).
Appetitanregende Rituale:
- Feste Mahlzeiten-Zeiten als Strukturgeber im Alltag
- Duftende Speisen oder Gewürze wecken Lust auf Essen
- Schön angerichtetes Essen macht mehr Appetit
- Gemeinsames Essen mit Familie oder Freund:innen motiviert
- Kurze Spaziergänge, Musik oder Lichtstimmung können das Hungergefühl fördern
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Medikamenteneinstellung überprüfen
Wenn trotz aller Bemühungen die Appetitlosigkeit stark bleibt, sollte die medikamentöse Behandlung überprüft werden (Finn et al., 2023) .
Mögliche Optionen:
- Dosisanpassung oder Einnahmezeit verschieben
- Umstellung auf ein anderes Präparat mit besserer Verträglichkeit
- Ärztlich begleitete Einnahmepausen („drug holidays“)
- Begleitende Ernährungstherapie, um gezielt auf Nährstoffmängel einzugehen
Nie eigenmächtig Medikamente verändern oder absetzen, immer ärztlich begleiten lassen (Finn et al., 2023) .
Fazit: Appetitlosigkeit ernst nehmen und aktiv handeln
ADHS-Medikamente können den Alltag enorm erleichtern, gleichzeitig darf man ihre Nebenwirkungen nicht unterschätzen. Appetitlosigkeit ist eine häufige, aber behandelbare Begleiterscheinung. Mit dem richtigen Know-how, individueller Anpassung und professioneller Begleitung lassen sich Medikamente und gesunde Ernährung gut miteinander vereinen.
Unser Tipp: Frühzeitig reagieren, achtsam auf den eigenen Körper hören und bei Unsicherheiten ärztlichen oder ernährungsmedizinischen Rat einholen. So bleibt die Therapie effektiv, ohne dass dabei die Ernährung auf der Strecke bleibt.