Wenn Eltern selbst ADHS haben
Elternsein ist anspruchsvoll, für alle. Doch wenn du selbst ADHS hast, kommen oft ganz eigene Herausforderungen dazu: chaotische Morgenroutinen, Reizüberflutung durch Kinderlärm, Schwierigkeiten beim Planen und Dranbleiben, und das alles, während du gleichzeitig versuchst, ein liebevoller, verlässlicher Elternteil zu sein. Besonders in der Schweiz, wo Kinderbetreuung oft teuer und schwer planbar ist, geraten viele betroffene Eltern unter zusätzlichen Druck (Rhoades, Erath & Tu, 2023).
Studien zeigen: Erwachsene mit ADHS, egal ob diagnostiziert oder nicht, sind häufig stärker gestresst im Familienalltag. Sie kämpfen mit der Organisation des Haushalts, mit ständiger Reizüberflutung und mit dem Gefühl, weder den Ansprüchen der Kinder noch den eigenen gerecht zu werden. Besonders Mütter mit ADHS berichten von Schuldgefühlen und Erschöpfung. Viele kennen das Gefühl, „nicht zu genügen“, während sie gleichzeitig alles geben (Rhoades, Erath & Tu, 2023).
Und: In der Schweiz fehlt es oft an spezialisierten Angeboten. Ob in Zürich, Basel, der Ostschweiz oder im ländlichen Raum, Eltern mit ADHS suchen oft lange nach hilfreicher Unterstützung. Begriffe wie „ADHS elterntraining schweiz“, „adhs elpos zürich“ oder „adhs coaching für eltern“ werden zwar immer häufiger gesucht, doch viele Angebote sind noch in den Kinderschuhen oder schwer zugänglich.
Dabei gibt es Möglichkeiten, den Alltag besser zu gestalten, mit einfachen Strukturen, realistischer Selbstfürsorge und dem Wissen: Du bist nicht allein. In diesem Artikel erfährst du, wie du als betroffene Mutter oder betroffener Vater trotz ADHS deinen Familienalltag mit mehr Ruhe und Selbstvertrauen meistern kannst (Rhoades, Erath & Tu, 2023).
Typische Herausforderungen für ADHS-Eltern
ADHS wirkt sich nicht nur auf die eigene Konzentration oder Organisation aus, sondern durchdringt den gesamten Alltag. Mit Kindern wird dies besonders spürbar (van Huis et al., 2024). Die häufigsten Probleme:
- Reizüberflutung durch Lärm, Unordnung, ständiges Fragen oder Geschwisterstreit
- Schwierigkeiten, konsequent und ruhig zu bleiben, besonders in Konflikten oder bei Trotzverhalten
- Probleme mit dem Zeitgefühl: zu spät losgehen, Termine vergessen, tägliche Abläufe schlecht einschätzen
- Überforderung durch parallele Anforderungen (z. B. kochen, zuhören, planen, organisieren)
- Impulsive Reaktionen oder emotionale Überladung, etwa bei Schlafmangel oder Stress
Diese Herausforderungen treten oft geballt auf, besonders morgens vor der Schule oder abends beim Zubettgehen. In solchen Situationen fällt es schwer, gelassen und präsent zu bleiben. Hinzu kommt: ADHS-Eltern haben oft ein hohes Anspruchsdenken an sich selbst, sie wollen es «richtig machen», perfekt organisieren, gerecht sein. Wenn das nicht gelingt, entstehen schnell Selbstvorwürfe:
«Warum kriege ich das nicht hin? Andere Eltern schaffen das doch auch.»
Solche Gedanken sind normal, und genau deshalb ist es wichtig, nicht nur auf Defizite zu fokussieren. Viel hilfreicher ist es, eigene Stärken zu erkennen und gezielt Strukturen zu schaffen, die entlasten. Denn ADHS im Elternsein bedeutet nicht Versagen, sondern ein besonderes Navigieren durch den Familienalltag (van Huis et al., 2024).
Struktur statt Chaos: Alltag mit System
Eine klare Struktur ist für ADHS-Eltern kein Luxus, sondern Überlebensstrategie (Johnston & Mash, 2012). Statt alles perfekt machen zu wollen, hilft es, wiederkehrende Abläufe zu etablieren:
- Morgenroutine mit festen Zeiten und Aufgaben
- Familienkalender mit Farben für jedes Familienmitglied
- Wöchentlicher Essensplan und Einkaufsliste
- Checklisten für Kita-/Schulstart (Turnbeutel, Znüni, etc.)
Auch digitale Tools können helfen: z. B. Erinnerungs-Apps, smarte Lautsprecher oder visuelle Timer. Manche Familien nutzen zudem Wandtafeln oder Magnettafeln, um Aufgaben sichtbar zu machen. Wenn Kinder eingebunden werden, etwa beim Abhaken von Aufgaben, stärkt das zusätzlich das Gemeinschaftsgefühl (Johnston & Mash, 2012).
Wichtig ist nicht, ein «perfektes» System zu schaffen, sondern eines, das deinen Alltag erleichtert. Deine Struktur darf wachsen und sich verändern, je nach Alter deiner Kinder, deinem Energielevel oder externen Umständen. Je klarer die Abläufe sind, desto weniger Kraft kostet der Alltag, und desto mehr Raum bleibt für das, was wirklich zählt: Nähe, Verbindung und gemeinsame Zeit (Johnston & Mash, 2012).
Selbstfürsorge: Nur mit Kraft kannst du geben
Viele Eltern mit ADHS übersehen sich selbst. Doch wenn du ständig über deine Grenzen gehst, leidet die ganze Familie, oft leise, aber spürbar. Deshalb gilt: Selbstfürsorge ist keine Schwäche, sondern eine notwendige Ressource, um für deine Kinder präsent und stabil zu bleiben (Johnston & Mash, 2012).
- Plane regelmässige Erholung bewusst ein, 10 Minuten Pause sind besser als keine, und auch kleine Rituale wie ein Tee am Fenster oder ein kurzer Spaziergang wirken stärkend
- Sprich offen mit deinem Umfeld über deine Belastung, das schafft Verständnis und verringert den Druck, alles allein bewältigen zu müssen
- Hole dir Hilfe: Familie, Freunde, Babysitter oder Angebote zur Tagesstruktur (z. B. Mittagstisch, betreute Hausaufgabenzeit)
- Setze klare Prioritäten, nicht alles muss heute erledigt werden, manches kann bewusst liegen bleiben
Auch Sport, kreative Aktivitäten oder Gespräche mit anderen Eltern können dir helfen, dich zu zentrieren und neue Energie zu tanken. Vielleicht findest du Unterstützung über Netzwerke wie adhs elpos, lokale Selbsthilfegruppen oder Online-Foren. Denk daran: Deine eigene Stabilität ist das Fundament für ein stabiles Familienleben (Johnston & Mash, 2012).
Was tun, wenn dein Kind auch ADHS hat?
Viele Eltern mit ADHS haben auch Kinder mit der Diagnose. Das bringt zusätzliche Herausforderungen, aber auch ein tieferes Verständnis. Denn wer selbst weiss, wie sich innere Unruhe, Konzentrationsprobleme oder emotionale Überforderung anfühlen, kann die Erlebnisse des eigenen Kindes oft besser nachvollziehen (Abikoff & Jensen, 2023).
Wichtig ist:
- Strukturen, die beiden helfen: z. B. visuelle Tagespläne, Checklisten, feste Übergangsrituale zwischen Aktivitäten
- Gemeinsame Ruhephasen, etwa am Abend: kein Bildschirm, dafür Hörbuch, gemeinsames Lesen oder Kuscheln
- Klare Absprachen mit Betreuungseinrichtungen wie Kita oder Schule, z. B. bei Reizüberflutung oder Konzentrationsschwankungen
- Austausch mit Fachpersonen: ADHS-Coachings, Psychotherapie oder elterngerechte Beratungen, die beide Perspektiven, die der Eltern und des Kindes, einbeziehen
Zusätzlich hilft es, die Bedürfnisse beider Seiten immer wieder bewusst wahrzunehmen und flexible Lösungen zu finden. Zum Beispiel: Wenn Hausaufgaben zum täglichen Streit führen, kann eine externe Betreuung oder eine klare 10-Minuten-Regel mit Timer Erleichterung bringen (Abikoff & Jensen, 2023).
Wenn du das Gefühl hast, dein Kind ist „aggressiv gegen Eltern“, wie es manche Suchanfragen nahelegen, steckt oft tiefer liegende Überforderung dahinter, bei dir, beim Kind oder beiden. Dann hilft professionelle Begleitung. In der Schweiz gibt es verschiedene Anlaufstellen, unter anderem elpos, regionale Beratungsdienste oder spezialisierte Elterntrainings, die sowohl Strategien als auch emotionale Entlastung bieten (Kleppestø et al., 2023).
Fazit: Eltern mit ADHS brauchen keine Perfektion, sondern gute Strategien
Wenn du als Vater oder Mutter mit ADHS durch den Alltag stolperst, bist du nicht allein. Viele erleben dieselben Schwierigkeiten, aber auch dieselben Ressourcen: Empathie, Kreativität, Nähe.
Der Schlüssel liegt nicht im „besseren Funktionieren“, sondern im klugen Gestalten. Mit realistischen Strukturen, Pausen, Netzwerken und einer grossen Portion Selbstmitgefühl kann Elternschaft mit ADHS gelingen, auch in der Schweiz (Eyberg & Funderburk, 2011).