Verhaltenstherapie ist eine der am besten untersuchten und wirksamsten Methoden zur Behandlung von ADHS, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Gerade bei Erwachsenen mit ADHS kann die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) helfen, Alltag und Beruf besser zu meistern. In diesem Artikel zeigen wir dir, welche Methoden besonders effektiv sind, wie eine Therapie ablaufen kann und welche Erfolgsaussichten bestehen. Besonderes Augenmerk legen wir auf die Situation in der Schweiz und darauf, wie Verhaltenstherapie mit anderen Ansätzen kombiniert werden kann (Liu et al., 2023).
Was ist Verhaltenstherapie bei ADHS?
Die Verhaltenstherapie bei ADHS basiert auf der Annahme, dass Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen eng miteinander verknüpft sind. Ziel ist es, ungünstige Denkmuster zu erkennen und durch hilfreichere Strategien zu ersetzen. Gerade Menschen mit ADHS neigen zu impulsivem Verhalten, Konzentrationsproblemen und organisatorischen Schwierigkeiten. Die Therapie setzt genau hier an, stärkt die Selbstwahrnehmung und hilft beim Aufbau von alltagstauglichen Bewältigungsstrategien (Liu et al., 2023).
Zudem wird die Therapie kontinuierlich evaluiert und angepasst, um nachhaltige Fortschritte zu sichern. Je nach Ausprägung der ADHS-Symptomatik erfolgt die Behandlung einzeln, in Gruppen oder kombiniert (Liu et al., 2023).
Typische Ziele der Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie verfolgt mehrere Ziele, die individuell angepasst werden:
- Verbesserung der Selbststeuerung und Impulskontrolle
- Aufbau von Strukturen und Routinen im Alltag
- Förderung der Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer
- Stärkung sozialer Kompetenzen und Kommunikationsfähigkeit
- Abbau von negativem Denken und Versagensgefühlen
- Erlernen eines gesunden Umgangs mit Emotionen wie Frustration, Angst oder Wut
- Entwicklung realistischer Ziele und positiver Selbstzuschreibungen
Diese Ziele bilden die Grundlage für einen individuellen Therapieplan. In der Schweiz wird Verhaltenstherapie in vielen psychologischen Praxen sowie spezialisierten ADHS-Zentren angeboten, etwa in Zürich, Luzern, Winterthur oder Aarau (Corbisiero et al., 2018).
5 erprobte Methoden aus der Verhaltenstherapie bei ADHS
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Psychoedukation
Ein grundlegender Bestandteil jeder ADHS-Therapie ist die Aufklärung über das Störungsbild. Betroffene lernen, wie ADHS funktioniert, welche Symptome typisch sind und was das für den Alltag bedeutet. In der Schweiz bieten viele Psycholog:innen strukturierte Informationsmodule zur Psychoedukation an, oft ergänzt durch Broschüren, Videos oder Gruppenangebote (Corbisiero et al., 2018).
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Reizkontrolltraining
Ziel ist es, impulsives Verhalten zu verringern. Es werden Techniken eingeübt, die helfen, zwischen Reiz und Reaktion eine gedankliche Pause einzubauen. Dazu gehört etwa das bewusste Einhalten von Entscheidungszeiten, das Nutzen von Stopp-Signalen oder der Einsatz von Ablenkungsstrategien in kritischen Momenten. Auch Rollenspiele und Alltagssimulationen kommen hier zum Einsatz (Pan et al., 2024).
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Zeitmanagement und Planungshilfen
Viele Menschen mit ADHS haben Schwierigkeiten, ihre Zeit realistisch einzuschätzen. Hier helfen Techniken wie To-do-Listen, Wochenpläne, Kalendertraining oder visuelle Timer. In der Schweiz gibt es zudem spezielle ADHS-Coachings, in denen strukturierende Tools individuell angepasst und eingeübt werden, oft auch mit digitalen Hilfsmitteln wie Apps (Pan et al., 2024).
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Selbstinstruktionstraining
Bei dieser Methode lernen Betroffene, sich durch innere Selbstgespräche anzuleiten. Typische Abläufe werden sprachlich begleitet (z. B. «Zuerst mache ich A, dann B, dann C»), eine Technik, die besonders bei Reizoffenheit, Vergesslichkeit und Entscheidungsschwierigkeiten hilfreich ist. Auch Visualisierungen und Affirmationen können hier unterstützend eingesetzt werden (Pan et al., 2024).
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Verstärkerpläne und Belohnungssysteme
Auch bei Erwachsenen kann positive Verstärkung sinnvoll sein. Kleine Ziele werden definiert und bei Erreichen durch Belohnungen bestätigt, etwa Pausen, kleine Freuden oder Freizeitaktivitäten. In Gruppentherapien wird oft mit gegenseitigem Feedback gearbeitet, was die Motivation zusätzlich steigert (López-Pinar et al., 2020).
Verhaltenstherapie in der Schweiz: Ablauf & Zugang
In der Schweiz bieten viele Therapeuten mit kognitiv-verhaltenstherapeutischem Schwerpunkt gezielte ADHS-Behandlungen an. Besonders in grösseren Städten wie Zürich, Luzern, Aarau oder Winterthur findest du spezialisierte Angebote. Auch online gibt es inzwischen viele Möglichkeiten zur Teilnahme (López-Pinar et al., 2020).
Der Ablauf umfasst meist:
- Erstgespräch zur Abklärung der Problematik
- Psychologische oder psychiatrische Diagnostik (falls noch nicht erfolgt)
- Erstellung eines individuellen Therapieplans
- Wöchentliche Sitzungen à 50 Minuten (vor Ort oder online)
- Begleitende Übungen, Tagebücher oder Reflexionsaufgaben
- Regelmässige Evaluation des Fortschritts
Wichtig: In vielen Fällen ist die Therapie über die Grundversicherung (OKP) abrechenbar, sofern eine ärztliche Zuweisung vorliegt. Alternativ bieten viele Psycholog:innen auch private Termine mit kurzer Wartezeit an (López-Pinar et al., 2020).
Welche Erfolge sind möglich?
Die Wirksamkeit der Verhaltenstherapie bei ADHS ist gut belegt. Studien und klinische Erfahrung zeigen:
- Verbesserte Selbstorganisation und Tagesstruktur
- Reduktion von Impulsivität und Ablenkbarkeit
- Erhöhte Frustrationstoleranz und emotionale Stabilität
- Mehr Lebensqualität im Berufs- und Privatleben
- Verbesserte soziale Beziehungen und Kommunikationsfähigkeit
- Gesteigertes Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit
Je früher eine Therapie beginnt, desto besser die Erfolgsaussichten. Aber auch im späteren Erwachsenenalter lassen sich noch deutliche Verbesserungen erzielen, vor allem bei konsequenter Anwendung der Strategien im Alltag (López-Pinar et al., 2020).
Kombination mit anderen Therapieformen
Oft wird Verhaltenstherapie als Teil einer multimodalen Therapie eingesetzt. Sie kann mit:
- medikamentöser Behandlung (z. B. Methylphenidat)
- ADHS-Coaching
- Achtsamkeitstraining oder Meditation
- EMDR-Therapie
- Neurofeedback
- Ergotherapie
- sowie Gruppentherapien kombiniert werden.
Der interdisziplinäre Ansatz erlaubt es, die Behandlung individuell und wirksam zu gestalten. In der Schweiz bieten viele Therapiezentren inzwischen integrierte Programme mit mehreren Säulen an (López-Pinar et al., 2020).
Fazit: Struktur, Klarheit und neue Perspektiven
Die Verhaltenstherapie bietet fundierte, alltagsnahe und individuell anpassbare Hilfen für Menschen mit ADHS. Sie schafft Struktur, fördert Selbstwirksamkeit und hilft, den Alltag zu meistern. Wer auf der Suche nach einem wirksamen Einstieg in die ADHS-Behandlung ist, findet in der Verhaltenstherapie einen bewährten Ansatz, auch und gerade in der Schweiz. Die Kombination mit weiteren Therapieformen erhöht zusätzlich die Erfolgschancen und eröffnet neue Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben mit ADHS.