Verhaltenstherapie bei ADHS: Methoden & Erfolge

Veröffentlicht am: 01. Oktober 2025
Zuletzt ärztlich geprüft am: 06. Oktober 2025

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Porträt von Dr. med. Jens Westphal, Praktischer Arzt FMH und medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch. Er begleitet Patientinnen und Patienten in der Schweiz bei der Abklärung und Behandlung von ADHS. Das Bild zeigt ihn vor einem klaro-Hintergrund als Teil des ärztlichen Teams für ADHS Schweiz.

Dr. med. Jens Westphal

ADHS-Spezialist und Praktischer Arzt (FMH)
Dr. med. Jens Westphal ist Praktischer Arzt (FMH) mit langjähriger Erfahrung in der hausärztlichen Versorgung und Psychiatrie. Er ist medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch und prüft alle Inhalte rund um ADHS, Diagnostik und Therapie auf wissenschaftliche Genauigkeit und praktische Umsetzbarkeit in der Schweizer Grundversorgung.

Inhaltsverzeichnis

Verhaltenstherapie ist eine der am besten untersuchten und wirksamsten Methoden zur Behandlung von ADHS, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Gerade bei Erwachsenen mit ADHS kann die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) helfen, Alltag und Beruf besser zu meistern. In diesem Artikel zeigen wir dir, welche Methoden besonders effektiv sind, wie eine Therapie ablaufen kann und welche Erfolgsaussichten bestehen. Besonderes Augenmerk legen wir auf die Situation in der Schweiz und darauf, wie Verhaltenstherapie mit anderen Ansätzen kombiniert werden kann (Liu et al., 2023).

Was ist Verhaltenstherapie bei ADHS?

Die Verhaltenstherapie bei ADHS basiert auf der Annahme, dass Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen eng miteinander verknüpft sind. Ziel ist es, ungünstige Denkmuster zu erkennen und durch hilfreichere Strategien zu ersetzen. Gerade Menschen mit ADHS neigen zu impulsivem Verhalten, Konzentrationsproblemen und organisatorischen Schwierigkeiten. Die Therapie setzt genau hier an, stärkt die Selbstwahrnehmung und hilft beim Aufbau von alltagstauglichen Bewältigungsstrategien (Liu et al., 2023).

Zudem wird die Therapie kontinuierlich evaluiert und angepasst, um nachhaltige Fortschritte zu sichern. Je nach Ausprägung der ADHS-Symptomatik erfolgt die Behandlung einzeln, in Gruppen oder kombiniert (Liu et al., 2023).

Typische Ziele der Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie verfolgt mehrere Ziele, die individuell angepasst werden:

  • Verbesserung der Selbststeuerung und Impulskontrolle
  • Aufbau von Strukturen und Routinen im Alltag
  • Förderung der Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer
  • Stärkung sozialer Kompetenzen und Kommunikationsfähigkeit
  • Abbau von negativem Denken und Versagensgefühlen
  • Erlernen eines gesunden Umgangs mit Emotionen wie Frustration, Angst oder Wut
  • Entwicklung realistischer Ziele und positiver Selbstzuschreibungen

Diese Ziele bilden die Grundlage für einen individuellen Therapieplan. In der Schweiz wird Verhaltenstherapie in vielen psychologischen Praxen sowie spezialisierten ADHS-Zentren angeboten, etwa in Zürich, Luzern, Winterthur oder Aarau (Corbisiero et al., 2018).

5 erprobte Methoden aus der Verhaltenstherapie bei ADHSZwei junge Erwachsene tauschen sich während einer Gruppentherapie oder eines ADHS-Coachings aus – mit Notizbüchern in einer gemütlichen Therapielounge.

  1. Psychoedukation

Ein grundlegender Bestandteil jeder ADHS-Therapie ist die Aufklärung über das Störungsbild. Betroffene lernen, wie ADHS funktioniert, welche Symptome typisch sind und was das für den Alltag bedeutet. In der Schweiz bieten viele Psycholog:innen strukturierte Informationsmodule zur Psychoedukation an, oft ergänzt durch Broschüren, Videos oder Gruppenangebote (Corbisiero et al., 2018).

  1. Reizkontrolltraining

Ziel ist es, impulsives Verhalten zu verringern. Es werden Techniken eingeübt, die helfen, zwischen Reiz und Reaktion eine gedankliche Pause einzubauen. Dazu gehört etwa das bewusste Einhalten von Entscheidungszeiten, das Nutzen von Stopp-Signalen oder der Einsatz von Ablenkungsstrategien in kritischen Momenten. Auch Rollenspiele und Alltagssimulationen kommen hier zum Einsatz (Pan et al., 2024).

  1. Zeitmanagement und Planungshilfen

Viele Menschen mit ADHS haben Schwierigkeiten, ihre Zeit realistisch einzuschätzen. Hier helfen Techniken wie To-do-Listen, Wochenpläne, Kalendertraining oder visuelle Timer. In der Schweiz gibt es zudem spezielle ADHS-Coachings, in denen strukturierende Tools individuell angepasst und eingeübt werden, oft auch mit digitalen Hilfsmitteln wie Apps (Pan et al., 2024).

  1. Selbstinstruktionstraining

Bei dieser Methode lernen Betroffene, sich durch innere Selbstgespräche anzuleiten. Typische Abläufe werden sprachlich begleitet (z. B. «Zuerst mache ich A, dann B, dann C»), eine Technik, die besonders bei Reizoffenheit, Vergesslichkeit und Entscheidungsschwierigkeiten hilfreich ist. Auch Visualisierungen und Affirmationen können hier unterstützend eingesetzt werden (Pan et al., 2024).

  1. Verstärkerpläne und Belohnungssysteme

Auch bei Erwachsenen kann positive Verstärkung sinnvoll sein. Kleine Ziele werden definiert und bei Erreichen durch Belohnungen bestätigt, etwa Pausen, kleine Freuden oder Freizeitaktivitäten. In Gruppentherapien wird oft mit gegenseitigem Feedback gearbeitet, was die Motivation zusätzlich steigert (López-Pinar et al., 2020).

Verhaltenstherapie in der Schweiz: Ablauf & Zugang

Ein Mann spricht während einer verhaltenstherapeutischen Sitzung mit einer Psychotherapeutin über seine ADHS-Symptomatik – im Fokus: offene Kommunikation und Selbstreflexion.

In der Schweiz bieten viele Therapeuten mit kognitiv-verhaltenstherapeutischem Schwerpunkt gezielte ADHS-Behandlungen an. Besonders in grösseren Städten wie Zürich, Luzern, Aarau oder Winterthur findest du spezialisierte Angebote. Auch online gibt es inzwischen viele Möglichkeiten zur Teilnahme (López-Pinar et al., 2020).

Der Ablauf umfasst meist:
  • Erstgespräch zur Abklärung der Problematik
  • Psychologische oder psychiatrische Diagnostik (falls noch nicht erfolgt)
  • Erstellung eines individuellen Therapieplans
  • Wöchentliche Sitzungen à 50 Minuten (vor Ort oder online)
  • Begleitende Übungen, Tagebücher oder Reflexionsaufgaben
  • Regelmässige Evaluation des Fortschritts

Wichtig: In vielen Fällen ist die Therapie über die Grundversicherung (OKP) abrechenbar, sofern eine ärztliche Zuweisung vorliegt. Alternativ bieten viele Psycholog:innen auch private Termine mit kurzer Wartezeit an (López-Pinar et al., 2020).

Welche Erfolge sind möglich?

Die Wirksamkeit der Verhaltenstherapie bei ADHS ist gut belegt. Studien und klinische Erfahrung zeigen:

  • Verbesserte Selbstorganisation und Tagesstruktur
  • Reduktion von Impulsivität und Ablenkbarkeit
  • Erhöhte Frustrationstoleranz und emotionale Stabilität
  • Mehr Lebensqualität im Berufs- und Privatleben
  • Verbesserte soziale Beziehungen und Kommunikationsfähigkeit
  • Gesteigertes Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit

Je früher eine Therapie beginnt, desto besser die Erfolgsaussichten. Aber auch im späteren Erwachsenenalter lassen sich noch deutliche Verbesserungen erzielen, vor allem bei konsequenter Anwendung der Strategien im Alltag (López-Pinar et al., 2020).

Kombination mit anderen Therapieformen

Oft wird Verhaltenstherapie als Teil einer multimodalen Therapie eingesetzt. Sie kann mit:

Der interdisziplinäre Ansatz erlaubt es, die Behandlung individuell und wirksam zu gestalten. In der Schweiz bieten viele Therapiezentren inzwischen integrierte Programme mit mehreren Säulen an (López-Pinar et al., 2020).

Fazit: Struktur, Klarheit und neue Perspektiven

Die Verhaltenstherapie bietet fundierte, alltagsnahe und individuell anpassbare Hilfen für Menschen mit ADHS. Sie schafft Struktur, fördert Selbstwirksamkeit und hilft, den Alltag zu meistern. Wer auf der Suche nach einem wirksamen Einstieg in die ADHS-Behandlung ist, findet in der Verhaltenstherapie einen bewährten Ansatz, auch und gerade in der Schweiz. Die Kombination mit weiteren Therapieformen erhöht zusätzlich die Erfolgschancen und eröffnet neue Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben mit ADHS.

Rezensentenblock

Porträt von Dr. Almedina Berisha, Ärztin im Team von klaro-adhs.ch. Sie unterstützt Patientinnen und Patienten bei der Diagnostik und Therapie von ADHS in der Schweiz. Das Bild zeigt sie im weissen Arztkittel mit Stethoskop vor einem klaro-Hintergrund.

Almedina Berisha

Ärztin Innere Medizin
Almedina Berisha ist Ärztin für Innere Medizin in der Schweiz mit besonderem Interesse an psychosomatischen Zusammenhängen und neurobiologischen Faktoren von ADHS. Sie prüft medizinische Inhalte auf klaro-adhs.ch auf wissenschaftliche Genauigkeit, klinische Relevanz und patientenverständliche Darstellung. Ihr Fokus liegt auf einer praxisnahen Vermittlung komplexer Themen der Erwachsenenmedizin und psychischen Gesundheit.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

  • Verhaltenstherapie hilft Menschen mit ADHS, ihre Gedanken, Emotionen und Handlungen bewusster zu steuern. Ziel ist es, impulsives Verhalten zu reduzieren, Aufmerksamkeit und Struktur zu verbessern und negative Denkmuster zu verändern. Durch praktische Übungen lernen Betroffene, Routinen zu entwickeln, Stress abzubauen und alltägliche Herausforderungen besser zu meistern. In der Schweiz wird Verhaltenstherapie häufig von Psycholog:innen mit OKP-Zulassung angeboten und kann über die Krankenkasse abgerechnet werden.

Quellenverzeichnis

  1. Liu, C., Hua, M., & Lu, M. (2023). Effectiveness of cognitive behavioural-based interventions for adults with ADHD extends beyond core symptoms: a meta-analysis of randomized controlled trials. Psychology and Psychotherapy, 96(3), 543–559. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36794797/
  2. Corbisiero, S., Bitto, H., Abt-Mörstedt, B., et al. (2018). A Comparison of Cognitive-Behavioral Therapy and Pharmacotherapy vs. Pharmacotherapy Alone in Adults With Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD) – A Randomized Controlled Trial. Frontiers in Psychiatry, 9, 571. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2018.00571
  3. Pan, M.-R., Dong, M., Zhang, S., et al. (2024). One-year follow-up of the effectiveness and mediators of cognitive behavioural therapy among adults with attention-deficit/hyperactivity disorder. BMC Psychiatry, 24, 56738. https://bmcpsychiatry.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12888-024-05673-8
  4. Scielo / Paidéia. (2019). Efficacy of Cognitive-Behavioral Therapy for Adults with ADHD: Systematic review. (Scielo, 2019)
  5. Journal of Attention Disorders. (2020). López-Pinar, C., Martínez-Sanchís, S., Carbonell-Vayá, E., et al. Efficacy of different psychotherapies in improving comorbid internalizing symptoms of adults with ADHD: a meta-analysis. Journal of Attention Disorders. https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/1087054719855685

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