Neurodivergenz ist ein Begriff, der in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat, insbesondere im Zusammenhang mit ADHS, Autismus, Hochsensibilität oder Hochbegabung. Doch was genau bedeutet Neurodivergenz? Und wie verändert sie unseren Blick auf die Diagnose ADHS, vor allem in der Schweiz, wo neurodiverse Perspektiven zunehmend mehr Aufmerksamkeit erhalten?
In diesem Artikel erfährst du, wie sich ADHS in das neurodivergente Spektrum einordnet, weshalb viele Betroffene sich jahrelang unverstanden fühlen und warum neurodivergente Denkweisen wertvolle Potenziale für Gesellschaft, Bildung und Arbeitswelt bergen. Zudem zeigen wir, wie du erkennst, ob du selbst neurodivergent bist, und welche Unterstützungsangebote es in der Schweiz gibt, von Neurofeedback bei ADHS in Zürich bis hin zu digitalem Coaching (Kooij et al., 2010).
Was bedeutet Neurodivergenz?
Neurodivergenz bezeichnet die Tatsache, dass unser Gehirn auf ganz unterschiedliche Weise funktionieren kann. Anstatt eine bestimmte Funktionsweise als «normal» zu definieren, beschreibt der Begriff ein Spektrum von neurobiologischen Varianten, darunter:
- ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)
- Autismus-Spektrum-Störungen
- Dyslexie (Lese-Rechtschreib-Störung)
- Dyspraxie
- Hochbegabung & Hochsensibilität
- Tourette-Syndrom
Der Begriff wurde in den 1990er-Jahren von Judy Singer, einer australischen Soziologin mit Autismus, geprägt. Ihre Vision: Neurodivergente Menschen sollen nicht mehr primär als «gestört» gelten, sondern als Teil einer natürlichen menschlichen Vielfalt, vergleichbar mit kultureller oder geschlechtlicher Diversität. Das Konzept der Neurodiversität (siehe auch: neurodiversität bedeutung) findet mittlerweile auch in Bildung, Psychotherapie und Unternehmen zunehmend Anwendung (Kooij et al., 2010).
ADHS als neurodivergente Ausdrucksform
Menschen mit ADHS erleben ihre Umwelt oft intensiver, schneller und komplexer. Ihre Gedanken springen, ihre Emotionen reagieren spontan, ihre Kreativität kennt kaum Grenzen. Gleichzeitig fällt es vielen schwer, sich zu fokussieren, Prioritäten zu setzen oder mit Reizüberflutung umzugehen. Diese Merkmale sind keine Schwächen, sondern Ausdruck eines neurodivergenten Gehirns (Kooij et al., 2010).
Typisch bei ADHS:
- Schwierigkeiten mit Reizfilterung: Alles scheint gleich wichtig
- Impulsives Handeln, bevor bewusstes Abwägen einsetzt
- Zeitempfinden ist intuitiv und wenig linear
- Hyperfokus auf interessante Themen, Aufschieben bei langweiligen Aufgaben
Diese Eigenheiten können im falschen Umfeld problematisch wirken, oder, richtig verstanden, zu aussergewöhnlichen Leistungen führen (Kooij et al., 2010).
Neurodivergent Brain: Selbsttests als Einstieg
Immer mehr Menschen suchen online nach Antworten, z. B. via neurodivergent brain test, um herauszufinden, ob sie neurodivergent sind. Diese Tests können erste Hinweise liefern, ersetzen aber keine klinische Diagnose. Dennoch sind sie ein wertvoller Anstoss zur Selbstbeobachtung (Altwicker-Hámori, 2021).
Wenn du dich in Begriffen wie «ADHS ohne Hyperaktivität», «Reizempfindlichkeit», «emotionales Überflutetsein» oder «Gedankenrasen» wiedererkennst, kann es hilfreich sein, eine professionelle Abklärung in Betracht zu ziehen. Besonders in der Schweiz gibt es zunehmend Angebote für Erwachsene, die erst spät bemerken, dass sie möglicherweise neurodivergent mit ADHS sind (Altwicker-Hámori, 2021).
ADHS ohne Hyperaktivität: unterschätzt und oft übersehen
Nicht alle Menschen mit ADHS zeigen körperliche Unruhe. Besonders Frauen und Mädchen weisen oft eine «stille» Variante auf, die früher unter dem Begriff «ADS» (ohne H = Hyperaktivität) bekannt war (Altwicker-Hámori, 2021). Typische Merkmale sind:
- Tagträumerei und Aufmerksamkeitsprobleme
- Emotionales Chaos bei äusserlich ruhigem Verhalten
- Überforderung durch Lärm, Gruppendynamik oder Chaos
- Prokrastination trotz hoher Intelligenz
Diese Form wird besonders häufig verkannt, da sie nicht ins klassische Bild des zappelig-impulsiven Kindes passt. Viele Betroffene kompensieren jahrzehntelang – oft auf Kosten der eigenen Gesundheit. Erst eine fundierte neuropsychologische Abklärung bringt Klarheit (Altwicker-Hámori, 2021).
Neurodivergenz und Bildung: eine Frage der Struktur
Das klassische Schulsystem ist auf lineares, gleichförmiges Lernen ausgelegt (Mattes, 2019). Für neurodivergente Kinder, sei es mit ADHS, Hochsensibilität oder Autismus, bedeutet das oft:
- Ständige Überforderung durch Reize und soziale Anforderungen
- Unverständnis seitens Lehrpersonen
- Fehlende Förderung ihrer tatsächlichen Stärken
Doch: Wenn Strukturen angepasst werden, können neurodivergente Kinder aufblühen (Mattes, 2019). Beispiele:
- Visualisierte Tagesstrukturen
- Flexible Aufgabenstellungen
- Pausen zur Reizregulation
- Vertrauensvolle Bezugspersonen
Auch in der Berufswelt braucht es mehr Offenheit. Studien zeigen: Menschen mit ADHS sind oft besonders kreativ, lösungsorientiert, resilient, wenn sie ihren Platz finden (Mattes, 2019).
Was hilft neurodivergenten Menschen mit ADHS?
Die gute Nachricht: Es gibt viele wirkungsvolle Hilfen, um mit neurodivergenten Denkweisen selbstbewusst und kompetent umzugehen. Dazu gehören:
- Neurofeedback ADHS Zürich: Eine Methode, bei der Gehirnaktivität per EEG sichtbar gemacht und trainiert wird
- Struktur-Coaching: Alltagshilfen, To-do-Tools, Zeitmanagement
- Psychotherapie: Besonders verhaltenstherapeutische und achtsamkeitsbasierte Ansätze sind hilfreich
- Psychoedukation: Verstehen des eigenen «Denktyps»
- Medikamente (z. B. Methylphenidat) – nur wenn sinnvoll und erwünscht
Wichtig ist: Der Weg ist individuell. Was dem einen hilft, ist für den anderen nicht zielführend. Der Fokus liegt auf Selbstermächtigung statt Anpassungsdruck (American Psychiatric Association, 2021).
Neurodivergenz als Stärke
In einer Welt voller Komplexität braucht es kreative, intuitive, vernetzt denkende Menschen. Genau das bringen viele ADHS-Betroffene mit. Der Hyperfokus, oft als «Problem» dargestellt, kann in den richtigen Bahnen zu erstaunlicher Produktivität führen. Auch die emotionale Tiefe und Empathiefähigkeit vieler neurodivergenter Menschen ist eine wertvolle Ressource – gerade in sozialen Berufen, im Coaching oder in kreativen Bereichen (American Psychiatric Association, 2021).
Die gesellschaftliche Diskussion um Neurodivergenz steht noch am Anfang. Doch Plattformen wie «20min» (siehe: ADHS 20min), NGOs und Betroffeneninitiativen bringen Bewegung in die Thematik. Ziel muss sein, ein Umfeld zu schaffen, in dem Vielfalt nicht nur geduldet, sondern aktiv gefördert wird (American Psychiatric Association, 2021).
Fazit: ADHS und Neurodivergenz gemeinsam denken
ADHS ist weit mehr als eine Diagnose – es ist ein Hinweis auf eine besondere Art zu denken, zu fühlen und die Welt zu erleben. Neurodivergenz liefert den passenden Rahmen, um diese Perspektiven wertschätzend einzuordnen. Wer neurodivergente Menschen versteht, kann ihre Stärken nutzen – und ihnen helfen, mit ihren Herausforderungen besser zurechtzukommen.
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