ADHS Verdacht: 5 erste Schritte zur Abklärung

Veröffentlicht am: 01. Oktober 2025
Zuletzt ärztlich geprüft am: 07. Oktober 2025

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Porträt von Dr. med. Jens Westphal, Praktischer Arzt FMH und medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch. Er begleitet Patientinnen und Patienten in der Schweiz bei der Abklärung und Behandlung von ADHS. Das Bild zeigt ihn vor einem klaro-Hintergrund als Teil des ärztlichen Teams für ADHS Schweiz.

Dr. med. Jens Westphal

ADHS-Spezialist und Praktischer Arzt (FMH)
Dr. med. Jens Westphal ist Praktischer Arzt (FMH) mit langjähriger Erfahrung in der hausärztlichen Versorgung und Psychiatrie. Er ist medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch und prüft alle Inhalte rund um ADHS, Diagnostik und Therapie auf wissenschaftliche Genauigkeit und praktische Umsetzbarkeit in der Schweizer Grundversorgung.

Inhaltsverzeichnis

Viele Erwachsene stellen sich irgendwann die Frage: «Könnte ich ADHS haben?» Diese Überlegung entsteht oft nicht aus dem Nichts, sondern nach Jahren mit diffusen Schwierigkeiten: anhaltender innerer Unruhe, emotionaler Überforderung, chaotischem Zeitmanagement oder sozialem Missverständnis. Auch Aussagen von Freunden, Partner:innen oder der Familie können den Anstoss geben (Ayano et al., 2023). Doch was tun bei einem ADHS Verdacht? Wie läuft eine Abklärung in der Schweiz ab? Welche Anlaufstellen gibt es, und wie findet man heraus, ob sich eine professionelle Diagnostik lohnt?

In diesem Artikel zeigen wir dir die 5 wichtigsten Schritte, die du gehen kannst, wenn du vermutest, dass du ADHS hast. Ergänzend geben wir dir einen Einblick in das Gesundheitssystem der Schweiz, zeigen auf, welche Fachpersonen helfen können, und wie du mit einer möglichen Diagnose konstruktiv umgehst (Ayano et al., 2023).

Schritt 1: Selbstbeobachtung und Information sammeln

Bevor du einen Termin bei einem Arzt oder einer Psychologin buchst, kann es hilfreich sein, dich selbst zu beobachten. Viele ADHS-Betroffene berichten von einem Gefühl, «irgendwie anders» zu sein, schon seit Kindheit oder Jugend (Ayano et al., 2023). Typische Hinweise auf ADHS bei Erwachsenen sind:

  • Konzentrationsprobleme und schnelle Ablenkbarkeit
  • Sprunghafte Gedanken oder Schwierigkeiten, den Faden zu behalten
  • Prokrastination und Aufschieben selbst einfacher Aufgaben
  • Impulsives Verhalten, Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit
  • Probleme in Beziehungen durch Missverständnisse oder Reizüberflutung
  • Unerklärliche emotionale Überforderung

Erstelle eine Art ADHS-Tagebuch: Notiere Situationen, in denen du an deine Grenzen kommst, oder in denen du dich selbst nicht verstehst. Auch Rückmeldungen von anderen Personen können hilfreich sein (Ayano et al., 2023).

Ergänzend kannst du einen ADHS-Selbsttest machen. Der «ADHS Selbsttest Erwachsene WHO» oder der «ADHS 20 Plus Test» sind online verfügbar und bieten eine erste Orientierung. Auch wenn diese Tests keine Diagnose ersetzen, geben sie ein wertvolles Feedback zur Selbstwahrnehmung (Ayano et al., 2023).

Schritt 2: Den richtigen Ansprechpartner findenEine Therapeutin mit offenem Blick führt ein strukturiertes Anamnesegespräch mit einer Frau. Im Vordergrund ist ein Fragebogen zur Erfassung von ADHS-Symptomen zu sehen. Die Szene vermittelt Vertrauen und Kompetenz.

Viele fragen sich: Bei ADHS-Verdacht: welcher Arzt ist zuständig?

In der Schweiz ist dein erster Kontakt oft der Hausarzt oder die Hausärztin. Diese kennen deine gesundheitliche Vorgeschichte, können erste Symptome einordnen und dich an Fachpersonen überweisen. Wichtig ist, dass du offen über deine Beobachtungen sprichst. Nimm Notizen oder ein Tagebuch mit – das erleichtert die Einschätzung (Sibley, 2021).

Wenn du dich nicht verstanden fühlst oder dein Anliegen abgewiegelt wird, ist das kein Grund aufzugeben. Du darfst jederzeit eine zweite Meinung einholen oder direkt eine Fachperson kontaktieren (Sibley, 2021).

Typische Anlaufstellen sind:

  • Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapie (z. B. mit Spezialisierung auf ADHS)
  • Psycholog:innen mit Erfahrung in der Diagnostik neurodivergenter Störungen (z.B. Autismus)
  • Kinder- und Jugendpsychiater:innen (bei ADHS-Verdacht bei Jugendlichen)
  • Neuropsychologische Praxen oder Ambulatorien

Schritt 3: Abklärung planen und Termin vereinbarenEine Psychotherapeutin im Gespräch mit einer Patientin in einer hellen, freundlichen Praxis. Die Therapeutin lächelt einfühlsam, während sie einen diagnostischen Fragebogen durchgeht. Der Fokus liegt auf der professionellen Abklärung eines möglichen ADHS bei Erwachsenen.

Sobald du eine geeignete Fachperson gefunden hast, folgt die konkrete Terminvereinbarung. Je nach Region (z. B. ADHS-Arzt in Bern, Basel oder Zürich) kann es zu Wartezeiten kommen. Gerade bei Verdacht auf ADHS bei Erwachsenen kann die Diagnostik komplexer sein als bei Kindern (Asherson et al., 2021).

Mögliche Wege:

  • Überweisung vom Hausarzt an eine Fachstelle
  • Direkte Anfrage bei einer ADHS-Fachpraxis
  • Nutzung von Online-Plattformen für psychologische Abklärungen
  • Kontaktaufnahme mit ADHS-Zentren oder Selbsthilfegruppen zur Empfehlung

Tipp: Online-Angebote (z. B. Videogespräche mit Psycholog:innen) können insbesondere in abgelegenen Regionen eine gute Alternative sein (Asherson et al., 2021).

Schritt 4: Vorbereitung auf die ADHS-Diagnostik

Die ADHS-Diagnostik ist ein strukturierter Prozess, der verschiedene Elemente umfasst (Adamis et al., 2022). Eine fundierte Abklärung beinhaltet:

  • Anamnese-Gespräch: Detaillierte Erhebung deiner Lebensgeschichte
  • Symptomfragebögen: ASRS, DIVA 2.0, WURS (Retrospektive Kindheitseinschätzung)
  • Fremdanamnesen: Einbezug von Eltern, Partner:innen oder nahen Bezugspersonen
  • Leistungstests: Aufmerksamkeit, Konzentration, Arbeitsgedächtnis
  • Ausschlussdiagnostik: Abgrenzung zu Depression, Angst, Trauma, Sucht etc.

Je nach Anbieter dauert die Diagnostik zwischen 1 und 4 Terminen. Wichtig: Bring Unterlagen mit, die deine bisherigen Herausforderungen dokumentieren, z. B. alte Schulzeugnisse, psychologische Berichte oder Arbeitgeberrückmeldungen (Dobrosavljevic et al., 2020).

Schritt 5: Nach der Diagnose: Optionen & Ausblick

Wenn du eine ADHS-Diagnose erhältst, bedeutet das nicht, dass du «krank» bist. Vielmehr verstehst du dich selbst besser. Die Diagnose ist ein Werkzeug, kein Urteil. Sie ermöglicht neue Strategien und gibt dir Klarheit darüber, warum manche Dinge schwerfallen (Willcutt, 2012).

Mögliche Folgeschritte:

  • Psychoedukation: Wissen über ADHS aufbauen (z. B. via ADHS Schweiz oder ADHS-Onlinekurse)
  • Psychotherapie: Verhaltenstherapie, systemische oder integrative Verfahren
  • Medikation: In manchen Fällen hilfreich (z. B. Methylphenidat oder Atomoxetin)
  • ADHS-Coaching: Alltag organisieren, mit Reizen umgehen, Motivation fördern
  • Selbsthilfegruppen: In Bern, Zürich, Luzern, Basel oder online

Die meisten Betroffenen empfinden die Diagnose als entlastend. Sie erklärt vieles, was lange unverstanden war. Sie ermöglicht Gespräche mit Arbeitgebern, Partnern oder Institutionen, und sie schafft Raum für neue Wege (Willcutt, 2012).

Symbolbild für neurologische Diversität: Darstellung eines modellierten Kopfes mit markierten Hirnarealen – häufig verwendet im Kontext von ADHS, Autismus und Neurodivergenz.

Fazit: Der erste Schritt zählt

Ein Verdacht auf ADHS kann verunsichern. Aber er kann auch befreiend sein. Wenn du dich in vielen Beschreibungen wiedererkennst, lohnt sich der nächste Schritt. ADHS bedeutet nicht weniger Leistungsfähigkeit, sondern eine andere Art zu denken, zu fühlen und zu handeln. Die richtige Begleitung kann dir helfen, dein volles Potenzial zu entfalten, mit Struktur, Selbstmitgefühl und neuen Perspektiven (La Tour Hospital Group, n.d.).

Tipp: Du vermutest ADHS bei dir und willst Klarheit? Unsere spezialisierten Psycholog:innen begleiten dich einfühlsam, strukturiert und online: vom ersten Verdacht bis zur Diagnose. Jetzt kostenlos anfragen!

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Porträt von Dr. Almedina Berisha, Ärztin im Team von klaro-adhs.ch. Sie unterstützt Patientinnen und Patienten bei der Diagnostik und Therapie von ADHS in der Schweiz. Das Bild zeigt sie im weissen Arztkittel mit Stethoskop vor einem klaro-Hintergrund.

Almedina Berisha

Ärztin Innere Medizin
Almedina Berisha ist Ärztin für Innere Medizin in der Schweiz mit besonderem Interesse an psychosomatischen Zusammenhängen und neurobiologischen Faktoren von ADHS. Sie prüft medizinische Inhalte auf klaro-adhs.ch auf wissenschaftliche Genauigkeit, klinische Relevanz und patientenverständliche Darstellung. Ihr Fokus liegt auf einer praxisnahen Vermittlung komplexer Themen der Erwachsenenmedizin und psychischen Gesundheit.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

  • Bereite dich vor, bleibe sachlich, nimm Beispiele mit. Du kannst deine Vermutung formulieren wie: "Ich beobachte bei mir seit längerem typische ADHS-Muster – könnten wir das gemeinsam anschauen?"

Quellenverzeichnis

  1. Ayano, G., Tsegay, L., Gizachew, Y., Necho, M., Yohannes, K., Abraha, M., Demelash, S., Anbesaw, T., & Alati, R. (2023). Prevalence of attention deficit hyperactivity disorder in adults: Umbrella review of evidence generated across the globe. Psychiatry Research, 328, 115449. https://doi.org/10.1016/j.psychres.2023.11544 9
  2. Sibley, M. H. (2021). Empirically informed guidelines for first-time adult ADHD diagnosis. Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology, 43(1), 7–23. https://doi.org/10.1080/13803395.2021.1923665
  3. Asherson, P., Agnew-Blais, J., Bejerot, S., Buitelaar, J. K., Faraone, S. V., Franke, B., … & Kooij, J. J. S. (2021). Updated European consensus statement on diagnosis and treatment of adult ADHD. European Psychiatry, 64(1), e54. https://www.cambridge.org/core/journals/european-psychiatry/article/updated-european-consensus-statement-on-diagnosis-and-treatment-of-adult-adhd/707E2A36539213CF85EACCA576F47427
  4. Adamis, D., Flynn, C., Wrigley, M., Gavin, B., & McNicholas, F. (2022). ADHD in adults: A systematic review and meta-analysis of prevalence studies in outpatient psychiatric clinics. Journal of Attention Disorders, 26(12), 1438–1450. https://doi.org/10.1177/10870547221085503
  5. Dobrosavljevic, M., Solares, C., Cortese, S., Andershed, H., & Larsson, H. (2020). Prevalence of attention-deficit/hyperactivity disorder in older adults: A systematic review and meta-analysis. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 118, 282–289. https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2020.07.042
  6. Willcutt, E. G. (2012). The prevalence of DSM-IV attention-deficit/hyperactivity disorder: A meta-analytic review. Neurotherapeutics, 9(3), 490–499. https://doi.org/10.1007/s13311-012-0135-8
  7. La Tour Hospital Group. (n.d.). ADHD – attention deficit disorder, with or without hyperactivity. Retrieved October 7, 2025, from https://www.la-tour.ch/en/adhd-attention-deficit-disorder-or-without-hyperactivity

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