Viele Menschen mit ADHS berichten von erheblichen Problemen rund um das Thema Schlaf. Dazu zählen unter anderem Schwierigkeiten beim Einschlafen, häufiges nächtliches Aufwachen oder eine anhaltende Müdigkeit am Tag, obwohl sie eigentlich genug Zeit im Bett verbringen. Laut Studien leiden bis zu 75 % der Betroffenen an Schlafproblemen, was zeigt: Die Verbindung zwischen ADHS und Schlafstörungen ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Das Gehirn findet abends nur schwer zur Ruhe, es bleibt aktiv, während der Körper längst erschöpft ist. Die innere Unruhe, das Gedankenkarussell oder auch ein veränderter zirkadianer Rhythmus machen erholsamen Schlaf oft unmöglich (Hvolby, 2015).
Typische Anzeichen für ADHS-bedingte Schlafstörungen sind:
- Einschlafprobleme trotz körperlicher Müdigkeit, der Kopf „arbeitet weiter“
- Leichter, unruhiger Schlaf, häufig begleitet von mehreren Wachphasen
- Verkürzte Gesamtschlafdauer, oft unter dem empfohlenen Minimum
- Morgendliches Gefühl von Erschöpfung, obwohl die Nacht scheinbar lang genug war
- Probleme beim Aufstehen, besonders an Schultagen oder Werktagen
Diese Schlafstörungen können in jedem Alter auftreten, bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen. Besonders herausfordernd: Der schlechte Schlaf verschärft die typischen ADHS-Symptome wie Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit oder emotionale Überforderung. Dadurch entsteht ein regelrechter Teufelskreis, je schlechter der Schlaf, desto ausgeprägter die Symptome. Und je ausgeprägter die Symptome, desto schwerer fällt erholsames Schlafen (Hvolby, 2015).
Wer also unter ADHS leidet und gleichzeitig mit Schlafproblemen kämpft, sollte diese nicht unterschätzen. Schlaf ist kein „Nice-to-have“, sondern eine Grundvoraussetzung für emotionale Stabilität und geistige Leistungsfähigkeit (Hvolby, 2015).
6 häufige Ursachen für Schlafstörungen bei ADHS
Die Gründe für die Schlafprobleme bei ADHS sind vielfältig und reichen von biologischen bis zu verhaltensbezogenen Faktoren. Schlafstörungen betreffen nicht nur die Nacht, sondern haben oft auch tagsüber erhebliche Auswirkungen auf Konzentration, Stimmung und Leistungsfähigkeit (Cortese et al., 2009). Hier die wichtigsten Ursachen im Überblick, jeweils mit einem konkreten Tipp, was wirklich helfen kann:
- Gestörter Tag-Nacht-Rhythmus (zirkadiane Dysregulation)
Menschen mit ADHS haben häufig einen verschobenen Schlaf-Wach-Rhythmus. Sie fühlen sich abends oft energiegeladen und „gedanklich wach“, während sie morgens grosse Mühe haben, in den Tag zu starten. Ursache ist eine gestörte innere Uhr, die den natürlichen Melatonin-Ausschuss verzögert (Cortese et al., 2009).
→ Tipp:- Tägliche Schlafens- und Aufstehzeiten, auch am Wochenende, einhalten
- 1–2 Stunden vor dem Schlafengehen keine Bildschirme nutzen
- Blaulichtfilter oder spezielle Brillen verwenden
- Gedankenkarussell & innere Unruhe
Viele ADHS-Betroffene berichten, dass ihr Kopf abends nicht zur Ruhe kommt. Gedanken rasen, Probleme werden gewälzt, kreative Ideen entstehen genau dann, wenn eigentlich Ruhe gefragt wäre. Die Folge: Einschlafprobleme trotz Müdigkeit (Snitselaar et al., 2017).
→ Tipp:- Einschlafrituale etablieren (z. B. Lesen, Tagebuch schreiben)
- Atem- oder Entspannungsübungen (z. B. 4-7-8-Methode) nutzen
- Apps mit beruhigenden Geräuschen oder Rauschgeneratoren ausprobieren
- Hyperaktivität bis in die Nacht
Der starke Bewegungsdrang, typisch für viele Menschen mit ADHS, endet oft nicht am Abend. Gerade bei Kindern zeigt sich das in ständiger Unruhe im Bett. Auch Erwachsene verspüren manchmal das Bedürfnis, sich noch „auszupowern“ (Snitselaar et al., 2017).
→ Tipp:- Regelmässige Bewegung tagsüber einplanen (Spaziergang, Sport)
- Am Abend gezielt auf Entspannung umschalten – mit Yoga, Dehnübungen oder progressiver Muskelentspannung
- Koffein und andere Stimulanzien
Viele Menschen mit ADHS greifen im Alltag zu Koffein oder sogar Nikotin, um ihre Konzentration zu verbessern. Doch gerade abends kann das den natürlichen Einschlafprozess massiv stören. Koffein blockiert die Adenosin-Rezeptoren im Gehirn, das macht wach, wenn der Körper eigentlich runterfahren will (Van der Heijden et al., 2007).
→ Tipp:- Kein Koffein mehr ab dem Nachmittag (mind. 6 Stunden vor dem Schlafengehen)
- Alternativen ausprobieren: Kräutertees, warme Milch oder beruhigende Rituale
- Zeitblindheit & schlechtes Zeitmanagement
Ein typisches ADHS-Phänomen: Die Zeit „verfliegt“, besonders am Abend. Viele wollen „nur noch kurz“ etwas erledigen, und merken gar nicht, wie spät es wird. Plötzlich ist es 2 Uhr morgens (Van der Heijden et al., 2007).
→ Tipp:- Schlafenszeit wie einen fixen Termin behandeln
- Erinnerungstools (Wecker, Schlaf-Apps) nutzen
- Abendliche To-do-Liste mit klarer Abschlusszeit definieren
- Komorbiditäten & Ängste
ADHS tritt häufig nicht allein auf. Begleiterkrankungen wie Ängste, Depressionen oder Schlafapnoe können die Schlafqualität zusätzlich beeinträchtigen. Auch unbewusste Sorgen oder körperliche Symptome können zu unruhigen Nächten führen (Auger et al., 2015).
→ Tipp:- Professionelle Abklärung bei anhaltenden Schlafproblemen
- Eventuell schlafmedizinische Untersuchung (z. B. ambulante Polysomnographie)
- Begleitende Psychotherapie zur Behandlung von Ängsten oder Traumafolgen
Was hilft bei ADHS-Schlafstörungen wirklich?
Neben allgemeinen Empfehlungen zur Schlafhygiene gibt es spezifische Ansätze, die besonders gut auf die Bedürfnisse von Menschen mit ADHS zugeschnitten sind. Wichtig ist dabei: Was wirkt, kann individuell unterschiedlich sein, darum lohnt es sich, verschiedene Methoden auszuprobieren (van Andel et al., 2022).
- Regelmässiger Schlafrhythmus: Feste Zeiten für Schlafen und Aufstehen, auch am Wochenende. Das stabilisiert die innere Uhr und hilft dem Gehirn, zur Ruhe zu kommen.
- Schlafumgebung optimieren: Dunkel, ruhig, kühl, idealerweise mit Verdunkelungsvorhängen, Ohrstöpseln oder einer Schlafmaske. Auch weiche, angenehme Bettwäsche oder ein leicht beschwertes Bettdecken-Gewicht (z. B. Gewichtsdecke) kann beruhigend wirken.
- Medikamentöse Unterstützung: In manchen Fällen kann Melatonin helfen – besonders, wenn der Schlafrhythmus stark verzögert ist. Wichtig: Nur in Absprache mit Fachärzt:innen einsetzen. (Stichwort: adhs schlafstörungen melatonin)
- Verhaltenstherapie: Besonders wirksam bei Schlafproblemen in Kombination mit Ängsten, Grübeln oder innerer Unruhe. Hier werden z. B. schlaffördernde Gedankenmuster trainiert und Stressoren gezielt reduziert.
- Digitale Unterstützung: Schlaftracking-Apps, visuelle Tagespläne, Timer oder Erinnerungsfunktionen können dabei helfen, Abläufe zu strukturieren und den Übergang in die Schlafenszeit besser zu gestalten. Auch Apps mit Entspannungsmusik oder Geräuschkulissen (z. B. weisses Rauschen) können unterstützen.
Zusätzlicher Tipp:
- Bewegung am Tag: Wer sich tagsüber ausreichend bewegt, sei es beim Sport, Spazieren oder im Alltag – schläft oft schneller ein. Ideal ist Bewegung am Nachmittag, nicht direkt vor dem Schlafengehen.
Fazit: Besser schlafen mit ADHS ist möglich
ADHS und Schlafstörungen sind eng miteinander verbunden – aber es gibt wirksame Strategien. Wenn du unter Schlafproblemen leidest, lohnt sich der genaue Blick auf deine Gewohnheiten, Auslöser und Tagesstruktur. Schon kleine Änderungen können grosse Wirkung zeigen. Und wenn du alleine nicht weiterkommst: Hol dir Unterstützung.