ADHS & Depression: Zusammenhang & Behandlung

Veröffentlicht am: 01. Oktober 2025
Zuletzt ärztlich geprüft am: 07. Oktober 2025

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Porträt von Dr. med. Jens Westphal, Praktischer Arzt FMH und medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch. Er begleitet Patientinnen und Patienten in der Schweiz bei der Abklärung und Behandlung von ADHS. Das Bild zeigt ihn vor einem klaro-Hintergrund als Teil des ärztlichen Teams für ADHS Schweiz.

Dr. med. Jens Westphal

ADHS-Spezialist und Praktischer Arzt (FMH)
Dr. med. Jens Westphal ist Praktischer Arzt (FMH) mit langjähriger Erfahrung in der hausärztlichen Versorgung und Psychiatrie. Er ist medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch und prüft alle Inhalte rund um ADHS, Diagnostik und Therapie auf wissenschaftliche Genauigkeit und praktische Umsetzbarkeit in der Schweizer Grundversorgung.

Inhaltsverzeichnis

ADHS und Depression treten oft gemeinsam auf, besonders bei Erwachsenen. Studien zeigen: Menschen mit ADHS haben ein deutlich erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens eine Depression zu entwickeln. Das liegt nicht nur an ähnlichen Symptomen, sondern auch an belastenden Alltagserfahrungen, die sich gegenseitig verstärken können. Wer täglich mit Konzentrationsproblemen, innerer Unruhe, Reizoffenheit und Selbstzweifeln lebt, ist anfälliger für Erschöpfung, negative Gedanken, Antriebslosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Die ständige Überforderung im Alltag, das Gefühl, nie „genug“ zu sein, und häufige Misserfolge führen langfristig zu einem hohen emotionalen Druck, der in depressive Episoden münden kann (Kooij et al., 2010).

Besonders problematisch ist, dass viele Symptome sich überlappen und daher leicht übersehen werden. So wird ADHS nicht selten erst diagnostiziert, wenn bereits eine Depression vorliegt. Umgekehrt bleiben depressive Symptome manchmal unbeachtet, weil man sie fälschlich als Teil des ADHS betrachtet. Gerade in der Schweiz fühlen sich viele Erwachsene mit ADHS und depressiven Symptomen alleingelassen, sei es wegen langer Wartezeiten, fehlender spezialisierter Angebote oder mangelnder Sensibilität im Gesundheitssystem. Begriffe wie «depression und adhs», «adhs depression zusammenhang» oder «adhs und depression bei erwachsenen» werden bei Google immer häufiger gesucht, was den steigenden Informations- und Hilfebedarf unterstreicht. Dennoch wird die Schnittmenge beider Störungen in vielen Therapien und Aufklärungsangeboten noch immer zu wenig berücksichtigt, obwohl gerade diese Kombination einer besonders sorgfältigen Behandlung bedarf (Kooij et al., 2010).

Woran erkennt man Depression bei ADHS?Eine Person hält einen brennenden Zettel mit der Aufschrift „Good Vibes Only“ in die Kamera. Das Bild transportiert das Gefühl von Rebellion gegen toxische Positivität – eine Realität, mit der viele Menschen mit ADHS in der Schweiz konfrontiert sind, wenn ihre Symptome nicht ernst genommen werden.

Viele Symptome überschneiden sich: Konzentrationsstörungen, Antriebslosigkeit, Schlafprobleme oder das Gefühl, nichts auf die Reihe zu bekommen. Doch während ADHS oft mit innerer Unruhe, Reizbarkeit und sprunghafter Energie einhergeht, zeigt sich die Depression meist als tiefe Niedergeschlagenheit, Gefühle von Leere, Hoffnungslosigkeit und ein vollständiger Rückzug aus dem sozialen Leben. Diese Unterschiede sind in der Praxis schwer abzugrenzen, gerade weil Betroffene mit ADHS häufig emotionale Schwankungen erleben, die auch depressive Züge annehmen können (Katzman et al., 2017).

Besonders schwierig ist die Diagnose bei Erwachsenen. Oft steht eine langjährige Leidensgeschichte im Vordergrund, geprägt von Überforderung, Versagensgefühlen und sozialer Isolation. Wenn depressive Symptome überwiegen, wird ADHS manchmal gar nicht erkannt – oder als Folge der Depression fehlgedeutet. Umgekehrt kann eine ADHS-Diagnose dazu führen, dass depressive Anzeichen zu wenig Beachtung finden, obwohl sie behandlungsbedürftig sind (Katzman et al., 2017).

Ein weiteres Problem: Der sogenannte «ADHS-Blues», also anhaltende depressive Verstimmungen ohne klaren Auslöser, wird häufig als temporäre Stimmungsschwankung oder persönliche Schwäche abgetan. Dabei handelt es sich um ernsthafte Belastungen, die den Alltag massiv beeinträchtigen können. Solche Zustände treten oft in Form von innerer Leere, chronischer Müdigkeit und einem allgemeinen Desinteresse auf, auch an Dingen, die früher Freude bereitet haben. Deshalb ist eine gezielte, kombinierte Behandlung besonders wichtig: Nur so kann beiden Krankheitsbildern gerecht geworden werden (Chang et al., 2016).

Warum ADHS das Depressionsrisiko erhöht

ADHS ist weit mehr als eine Konzentrationsstörung, es prägt das gesamte Erleben und Verhalten eines Menschen. Neben den typischen Symptomen wie Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität beeinflusst ADHS auch tiefgreifend das Selbstbild, die Stressverarbeitung und die Fähigkeit, stabile soziale Beziehungen zu führen. Viele Betroffene erleben schon im Kindesalter, dass sie „anders“ sind: Sie gelten als unaufmerksam, zappelig oder „schwierig“, bekommen häufiger Kritik als Lob und ecken immer wieder an, ohne genau zu wissen, warum. Auch wenn sie sich bemühen, stoßen sie häufig auf Unverständnis oder Ablehnung. Solche wiederholten Erfahrungen von Scheitern, Ausgrenzung oder Zurückweisung hinterlassen Spuren und können zu einem brüchigen Selbstwertgefühl führen (Chang et al., 2016).

Der ständige Versuch, „normal“ zu funktionieren, kann mit der Zeit zu chronischem Stress, Frustration und einer tiefen inneren Erschöpfung führen. Besonders belastend ist, dass Betroffene sich oft selbst die Schuld geben, weil sie nicht wissen, dass ihre Schwierigkeiten eine neurobiologische Ursache haben. Dieser innere Druck verstärkt das Risiko für depressive Symptome, etwa Antriebslosigkeit, Grübelneigung, Rückzug und Gefühle der Hoffnungslosigkeit (Chang et al., 2016).

Studien belegen: Über 80 % der Erwachsenen mit ADHS entwickeln im Laufe ihres Lebens mindestens eine psychische Begleiterkrankung, wobei Depressionen besonders häufig sind. Der Zusammenhang zwischen „adhs mit depression“, „adhs und depression bei erwachsenen“ oder auch „adhs depression unterschied“ wird mittlerweile intensiv wissenschaftlich untersucht. Eine Gruppe ist besonders gefährdet: Frauen mit dem vorwiegend unaufmerksamen ADHS-Typ. Sie fallen im Alltag weniger durch äußere Unruhe auf, wirken nach außen angepasst – kämpfen jedoch innerlich oft mit ständiger Selbstkritik, Versagensängsten und emotionaler Erschöpfung. Diese stille Form der Überforderung bleibt häufig lange unerkannt, bis sich depressive Symptome manifestieren. Ein frühzeitiges Erkennen beider Störungen ist entscheidend, um den Teufelskreis aus Selbstzweifeln und Überforderung zu durchbrechen und neue Wege zu mehr Stabilität und Lebensqualität zu finden (Chang et al., 2016).

Gemeinsame Therapie: Was wirklich hilft

Eine Person sitzt im dunklen Raum, das Gesicht ist von Lichtstreifen eines Fensters durchzogen. Die Szene vermittelt Isolation und Rückzug – Erfahrungen, die Menschen mit ADHS in der Schweiz erleben können, wenn sie sich unverstanden oder überfordert fühlen.Die gute Nachricht: Wenn ADHS und Depression gleichzeitig auftreten, lassen sie sich auch gemeinsam behandeln. Zwar kann die Kombination beider Erkrankungen den Alltag deutlich erschweren, aber sie eröffnet auch die Möglichkeit, gezielter und ganzheitlicher zu therapieren (Chang et al., 2016).

Medikamente können helfen, beide Störungen zu lindern. In vielen Fällen kommen ADHS-Medikamente wie Methylphenidat (z. B. Ritalin) oder Lisdexamfetamin in Kombination mit Antidepressiva wie SSRIs oder Bupropion zum Einsatz. Besonders letzteres hat sich bei Betroffenen mit gleichzeitigem ADHS und Depression als wirkungsvoll erwiesen. Entscheidend ist jedoch: Jede medikamentöse Behandlung sollte individuell angepasst und eng ärztlich begleitet werden. Auch Wechselwirkungen und Nebenwirkungen müssen beachtet werden – vor allem bei multimorbiden Patienten (NICE, 2018).

Psychotherapie, insbesondere verhaltenstherapeutische und integrative Ansätze, kann helfen, destruktive Denkmuster zu erkennen und emotionale Belastungen zu verarbeiten. Neben klassischen Elementen wie kognitiver Umstrukturierung und Emotionsregulation spielen auch alltagspraktische Techniken eine wichtige Rolle: zum Beispiel das Etablieren von Routinen, Zeitmanagement oder Strategien gegen Prokrastination. Für viele ist ergänzend ein ADHS-spezifisches Coaching sinnvoll, das die Selbstorganisation stärkt und Rückfällen vorbeugt (Culpepper, 2010).

Selbsthilfe: Gruppentreffen, digitale Angebote und Online-Foren bieten nicht nur Austausch, sondern auch emotionale Entlastung. Das Gefühl, nicht allein zu sein, verstanden und akzeptiert zu werden – wirkt oft stabilisierend. Viele Betroffene berichten: Erst durch die ADHS-Diagnose wurde auch die Depression in ihrem Ursprung verständlich – und damit gezielter behandelbar. Zusätzlich kann es helfen, sich mit psychoedukativen Materialien auseinanderzusetzen, um sich selbst besser zu verstehen und die eigene Therapie aktiv mitzugestalten (Kooij et al., 2019).

Eine kombinierte Therapie, aus Medikation, Psychotherapie und Selbsthilfe, bietet die besten Erfolgschancen. Wichtig ist, frühzeitig Hilfe zu suchen und dranzubleiben. Auch wenn es Rückschläge gibt: Jede kleine Verbesserung zählt (Kooij et al., 2019).

Fazit: ADHS und Depression ernst nehmen, gemeinsam behandeln

Wenn du dich in beiden Bereichen wiedererkennst, mit Symptomen von ADHS und Depression, bist du nicht allein. Begriffe wie «adhs depression ritalin» oder «adhs oder depression» zeigen, wie viele Menschen nach Antworten suchen.

Wichtig ist: Lass dich nicht abspeisen mit einem «Das ist halt so». ADHS und Depression sind behandelbar. Und je früher du Klarheit hast, desto besser kannst du Strategien finden, die dein Leben wieder leichter machen. In der Schweiz gibt es mittlerweile immer mehr spezialisierte Anlaufstellen, auch online.

Sprich mit deinem Hausarzt, einer Fachperson oder wende dich an eine ADHS-Beratungsstelle. Du musst das nicht alleine schaffen.

Rezensentenblock

Porträt von Dr. Almedina Berisha, Ärztin im Team von klaro-adhs.ch. Sie unterstützt Patientinnen und Patienten bei der Diagnostik und Therapie von ADHS in der Schweiz. Das Bild zeigt sie im weissen Arztkittel mit Stethoskop vor einem klaro-Hintergrund.

Almedina Berisha

Ärztin Innere Medizin
Almedina Berisha ist Ärztin für Innere Medizin in der Schweiz mit besonderem Interesse an psychosomatischen Zusammenhängen und neurobiologischen Faktoren von ADHS. Sie prüft medizinische Inhalte auf klaro-adhs.ch auf wissenschaftliche Genauigkeit, klinische Relevanz und patientenverständliche Darstellung. Ihr Fokus liegt auf einer praxisnahen Vermittlung komplexer Themen der Erwachsenenmedizin und psychischen Gesundheit.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

  • Ja, zahlreiche Studien zeigen, dass ADHS das Risiko für Depressionen deutlich erhöht. Der Grund liegt in einer Kombination aus neurobiologischen und psychosozialen Faktoren: Das ADHS-Gehirn produziert weniger Dopamin, was die Stimmungsregulation erschwert. Hinzu kommen häufige Frustrationserlebnisse, Überforderung und Kritik im Alltag. Wer dauerhaft das Gefühl hat, „nicht zu genügen“, entwickelt schneller depressive Symptome. Besonders Erwachsene mit unerkanntem ADHS neigen zu Erschöpfung, Selbstzweifeln und Hoffnungslosigkeit – typische Vorläufer einer Depression.

Quellenverzeichnis

  1. Kooij, J. J. S., Bejerot, S., Blackwell, A., Caci, H., Casas-Brugué, M., et al. (2010). European consensus statement on diagnosis and treatment of adult ADHD: The European Network Adult ADHD. BMC Psychiatry, 10, 67. https://bmcpsychiatry.biomedcentral.com/articles/10.1186/1471-244X-10-67
  2. Katzman, M. A., Bilkey, T. S., Chokka, P., Fallu, A., & Klassen, L. J. (2017). Adult ADHD and comorbid disorders: Clinical implications of a dimensional approach. BMC Psychiatry, 17, 302. https://bmcpsychiatry.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12888-017-1463-3
  3. Chang, Z., Quinn, P. D., Hur, K., Gibbons, R. D., Sjölander, A., & Larsson, H. (2016). Medication for Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder and Risk for Depression: A Nationwide Longitudinal Study. Biological Psychiatry, 80(12), 916–922. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0006322316312958
  4. National Institute for Health and Care Excellence (NICE). (2018). Attention deficit hyperactivity disorder: diagnosis and management (NG87). https://www.nice.org.uk/guidance/ng87
  5. Culpepper, L. (2010). Challenges in identifying and managing attention-deficit/hyperactivity disorder in adults in the primary care setting: a review of the literature. The Journal of Clinical Psychiatry, 71(e11), 1–7. https://europepmc.org/article/med/21105337
  6. Kooij, J. J. S., Bijlenga, D., Salerno, L., Jaeschke, R., Bitter, I., Balázs, J., et al. (2019). Updated European Consensus Statement on diagnosis and treatment of adult ADHD. European Psychiatry, 56, 14–34. https://www.cambridge.org/core/journals/european-psychiatry/article/updated-european-consensus-statement-on-diagnosis-and-treatment-of-adult-adhd/7C3E0B3C01AD9B6D1C8E6A3C3F7BE1C9

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