EMDR ist längst nicht mehr nur in der Traumatherapie im Einsatz. Die Methode zur Verarbeitung belastender Erfahrungen findet zunehmend auch Anwendung bei anderen psychischen Störungen, darunter ADHS. In der Schweiz wird EMDR als ergänzender oder alternativer Therapiebaustein bei ADHS zunehmend anerkannt. Aber wie genau funktaioniert EMDR? Welche Erfahrungen gibt es bereits in der Schweiz? Und für wen eignet sich diese Therapieform besonders? In diesem Artikel werfen wir einen ausführlichen Blick auf das Potenzial von EMDR bei ADHS, inklusive Anwendung, Studienlage und regionaler Angebote in der Schweiz (Guidetti et al., 2023).
Was ist EMDR und wie funktioniert es?
EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, also Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen. Entwickelt wurde die Methode von der US-amerikanischen Psychologin Francine Shapiro zur Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS). Heute ist EMDR weltweit anerkannt und wissenschaftlich gut erforscht, und wird immer häufiger auch bei Störungsbildern jenseits der klassischen Trauma-Therapie eingesetzt (Guidetti et al., 2023).
Im Zentrum der Methode steht die bilaterale Stimulation, etwa durch gezielte Augenbewegungen, Töne oder abwechselnde Berührungen. Während die betroffene Person sich auf ein belastendes Ereignis oder Gefühl fokussiert, wird das Gehirn durch diese rhythmische Stimulation angeregt, neue neuronale Verknüpfungen zu bilden und alte Muster zu lösen (Sarichloo et al., 2025).
Bei ADHS steht weniger die Traumabearbeitung im Vordergrund, sondern die Förderung von Selbstregulation, Emotionskontrolle und Aufmerksamkeitslenkung. Viele Menschen mit ADHS haben unbewusste Blockaden oder innere Überzeugungen („Ich bin unfähig“, „Ich schaffe das nie“), die sich negativ auf Alltag und Selbstbild auswirken. EMDR kann dabei helfen, solche tief verankerten Glaubenssätze zu lösen und emotionale Stabilität zu fördern (Sarichloo et al., 2025).
Ablauf einer EMDR-Therapie bei ADHS
Eine EMDR-Therapie besteht aus mehreren strukturierten Phasen, die individuell an die Patientin bzw. den Patienten angepasst werden:
- Anamnese & Zieldefinition: Gemeinsame Erarbeitung von Themen, die mit Stress, Versagensangst oder emotionaler Überforderung verbunden sind.
- Ressourcenaktivierung & Stabilisierungsphase: Aufbau innerer Sicherheit, z. B. durch das Visualisieren eines sicheren Ortes oder positive Körpererfahrungen.
- Desensibilisierung & Reprocessing: Verarbeitung belastender Erinnerungen durch bilaterale Stimulation, meist durch Augenbewegungen, in manchen Fällen auch durch auditive oder taktile Reize.
- Verankerung neuer Erkenntnisse: Integration der neugewonnenen positiven Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen.
- Körpertest & Abschluss: Überprüfung, ob die Reaktion auf das Ursprungsthema neutral geworden ist.
Gerade bei ADHS kann dieser strukturierte Ablauf helfen, emotionale Überreizung zu reduzieren, dysfunktionale Reaktionsmuster zu durchbrechen und neue, hilfreichere Denkmuster zu etablieren (McKenzie & Wright, 2023).
EMDR bei ADHS: Erkenntnisse aus Praxis und Forschung
Obwohl EMDR ursprünglich für die Traumabehandlung konzipiert wurde, deuten erste Studien und Erfahrungsberichte auf eine breitere Wirksamkeit hin – auch bei Störungen wie ADHS. In der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden wurden verschiedene Pilotprojekte und Fallstudien durchgeführt, die den Einsatz von EMDR bei ADHS untersuchten (de Jongh & Ten Broeke, 2023).
Zentrale Beobachtungen:
- EMDR kann dazu beitragen, emotionale Trigger aus der Vergangenheit zu entschärfen, z. B. Misserfolgserlebnisse in Schule, Beruf oder zwischenmenschlichen Beziehungen.
- Die Methode hilft dabei, kognitive Muster umzustrukturieren, etwa Gedanken wie „Ich bin dumm“ oder „Ich enttäusche andere ständig“.
- Durch die Bearbeitung emotionaler Altlasten berichten viele Betroffene von mehr innerer Ruhe, Klarheit und Selbstwert.
- Die Kombination aus Fokus auf belastende Themen und gleichzeitigem Zugang zu Körperempfindungen spricht gerade Menschen mit ADHS stark an.
Zwar ist die Studienlage noch nicht so umfangreich wie bei klassischen Traumafolgestörungen, aber erste systematische Reviews zeigen: EMDR kann ein sinnvoller Teil einer multimodalen ADHS-Therapie sein, besonders bei Erwachsenen mit komplexem Leidensdruck, hohem innerem Stress oder komorbiden Störungen wie Depression, Angst oder PTBS. Auch für Patienten, bei denen Verhaltenstherapie nicht den gewünschten Erfolg bringt, kann EMDR eine ergänzende Lösung sein (de Jongh & Ten Broeke, 2023).
EMDR-Angebote in der Schweiz: Wo finde ich Unterstützung?
In der Schweiz gibt es mittlerweile zahlreiche Therapeuten, die EMDR anbieten. Besonders in Zürich, Schaffhausen, Aarau und der gesamten Deutschschweiz finden sich spezialisierte Praxen. Auch in Bern und Luzern wächst das Angebot stetig (Shapiro & Solomon, 2014).
Wer gezielt nach „EMDR Zürich“, „EMDR Schweiz“ oder „EMDR ADHS Schweiz“ sucht, findet nicht nur Einzeltherapeuten, sondern auch interdisziplinäre Zentren, die EMDR in ein ganzheitliches Therapiekonzept einbetten, etwa mit Verhaltenstherapie, Neurofeedback oder ADHS-Coaching (Shapiro & Solomon, 2014).
Wichtig bei der Auswahl:
- Achte darauf, dass die EMDR-Therapeutin eine anerkannte Ausbildung hat (z. B. nach EMDR-Europe Standard).
- Frage gezielt nach Erfahrung mit ADHS, idealerweise im Erwachsenenbereich.
- Kläre, ob EMDR von der Krankenkasse übernommen wird (z. B. im Rahmen einer psychologischen Psychotherapie über OKP).
- In Regionen wie Schaffhausen oder Aarau gibt es auch kleinere Praxen mit speziellem Fokus auf neurodiverse Patienten.
EMDR im Vergleich: Vorteile und Grenzen bei ADHS
Im Gegensatz zur Verhaltenstherapie, die vor allem auf Verhaltensänderung im Alltag abzielt, setzt EMDR tiefer an: bei der emotionalen Ursache von Denk- und Handlungsmustern (Valiente-Gómez et al., 2021).
Vorteile von EMDR bei ADHS:
- hilft bei der Verarbeitung negativer Erfahrungen
- unterstützt emotionale Selbstregulation
- reduziert innere Unruhe und Grübelschleifen
- stärkt Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit
- klare Struktur in der Therapie
- keine Medikamente nötig
- kann mit anderen Verfahren kombiniert werden (z. B. Coaching oder Achtsamkeitstraining)
Mögliche Grenzen:
- funktioniert nicht bei allen gleich gut, v. a. wenn Konzentration stark beeinträchtigt ist
- eignet sich weniger für akute Krisensituationen oder Menschen mit mangelnder Affekttoleranz
- EMDR sollte nur von qualifizierten Fachpersonen durchgeführt werden
- nicht alle Krankenkassen übernehmen die Kosten vollständig
Dennoch berichten viele ADHS-Betroffene, besonders Erwachsene mit Spätdiagnose, von tiefgreifenden Veränderungen durch EMDR, wenn die Methode richtig eingebettet und begleitet wird. Auch Jugendliche mit emotionalen Regulationsproblemen können von EMDR profitieren, vorausgesetzt, die Anwendung erfolgt alters- und entwicklungsentsprechend (Tourjman et al., 2022).
Fazit: EMDR als innovativer Ansatz in der ADHS-Therapie
EMDR ist mehr als eine Traumatherapie. Die Methode kann gerade für Menschen mit ADHS in der Schweiz neue Türen öffnen: weg von alten Selbstzweifeln, hin zu emotionaler Stabilität und Selbstakzeptanz.
Ob als Ergänzung zur Verhaltenstherapie, zur Medikation oder als eigenständiger Zugang zur inneren Verarbeitung, EMDR bietet einen spannenden und wissenschaftlich gestützten Weg, um ADHS auf einer tieferen Ebene zu begegnen.
In Städten wie Zürich, Schaffhausen, Aarau, Bern oder Luzern gibt es mittlerweile qualifizierte Anlaufstellen. Wer in der Schweiz nach einer langfristig wirksamen, strukturierten und empathischen Methode sucht, findet in EMDR eine vielversprechende Option, die neue Perspektiven eröffnet, auch wenn andere Therapien bisher nicht zum Ziel geführt haben.