ADHS-Rückfall vermeiden: 6 Tipps für langfristige Stabilität

Veröffentlicht am: 01. Oktober 2025
Zuletzt ärztlich geprüft am: 07. Oktober 2025

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Porträt von Dr. med. Jens Westphal, Praktischer Arzt FMH und medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch. Er begleitet Patientinnen und Patienten in der Schweiz bei der Abklärung und Behandlung von ADHS. Das Bild zeigt ihn vor einem klaro-Hintergrund als Teil des ärztlichen Teams für ADHS Schweiz.

Dr. med. Jens Westphal

ADHS-Spezialist und Praktischer Arzt (FMH)
Dr. med. Jens Westphal ist Praktischer Arzt (FMH) mit langjähriger Erfahrung in der hausärztlichen Versorgung und Psychiatrie. Er ist medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch und prüft alle Inhalte rund um ADHS, Diagnostik und Therapie auf wissenschaftliche Genauigkeit und praktische Umsetzbarkeit in der Schweizer Grundversorgung.

Inhaltsverzeichnis

Ein Rückfall bei ADHS kann jederzeit passieren, besonders wenn der Alltag wieder hektischer wird. Auch nach erfolgreicher Behandlung bleibt ADHS eine chronische Störung. Das bedeutet aber nicht, dass man Rückfällen tatenlos ausgeliefert ist. Mit den richtigen Strategien lässt sich die gewonnene Stabilität langfristig sichern. In diesem Artikel zeigen wir dir 6 wirksame Ansätze zur Rückfallprävention, ergänzt um praktische Tipps aus dem Alltag sowie den besonderen Kontext in der Schweiz. Zusätzlich gehen wir auf Hilfsangebote, rechtliche Fragen und langfristige Perspektiven ein (Barkley, o. J.).

Was bedeutet Rückfall bei ADHS?

Ein Rückfall bedeutet, dass sich zentrale ADHS-Symptome wie Impulsivität, Konzentrationsprobleme oder emotionale Reizbarkeit nach einer Phase der Stabilität wieder deutlich verschlechtern. Gründe dafür können sein:

  • Absetzen oder falsche Einnahme der Medikation
  • Wegfall therapeutischer Unterstützung (z. B. Psychotherapie)
  • Überforderung im Alltag oder Beruf
  • Lebensveränderungen (z. B. Trennung, Jobverlust, Umzug)
  • Körperliche oder psychische Belastungen

Je nach individueller Ausprägung der ADHS kann sich ein Rückfall unterschiedlich zeigen, manche Betroffene kämpfen mit innerer Unruhe, andere mit depressiven Verstimmungen oder einem Rückzug aus sozialen Kontakten (Frontiers, 2024).

Die gute Nachricht: Rückfälle sind vermeidbar, wenn Betroffene lernen, Warnzeichen frühzeitig zu erkennen und aktiv gegenzusteuern. Eine konsequente Rückfallprophylaxe beginnt nicht erst beim Auftreten der Symptome, sondern bereits in Phasen der Stabilität (Frontiers, 2024).

  1. Struktur im Alltag: der Schlüssel zur Stabilität

Ein stabiler Tagesablauf hilft, Chaos und Überforderung zu vermeiden. Feste Schlafenszeiten, geregelte Mahlzeiten, To-do-Listen und Kalenderplanung sind keine Einschränkungen, sondern stützende Strukturen, die bei ADHS Orientierung geben. Auch Apps, Erinnerungsfunktionen und Planungsboards helfen, den Überblick zu behalten (Miranda et al., 2021).

Tipp: In der Schweiz bieten viele ADHS-Coaches, besonders in Städten wie Zürich, Winterthur oder Basel, digitale Begleitung per Video an. Dies ist auch eine sinnvolle Ergänzung nach abgeschlossener Therapie. Es lohnt sich, bei den Kantonen oder bei ADHS-Hilfe Schweiz nach regionalen Angeboten zu fragen (Miranda et al., 2021).

Auch Arbeitsplätze können strukturiert gestaltet werden: feste Pausen, reduzierte Ablenkung, klare Aufgabenpriorisierung und ggf. Unterstützung durch IV-finanzierte Job-Coaches (Miranda et al., 2021).

  1. Medikation nicht eigenständig absetzenEin bunter Mix aus Blisterpackungen mit verschiedenen Tablettenformen und -farben liegt gestapelt aufeinander. Die Vielfalt zeigt die Bandbreite an Medikamenten, die bei ADHS zum Einsatz kommen können. In der Schweiz erfolgt die Auswahl immer individuell abgestimmt auf das jeweilige Beschwerdebild.

Ein häufiger Grund für Rückfälle ist das vorschnelle Absetzen von Medikamenten, sobald es besser geht. Gerade Stimulanzien wie Methylphenidat oder Lisdexamfetamin wirken nur bei regelmäßiger Einnahme zuverlässig. Wer ADHS-Medikamente ohne ärztliche Rücksprache absetzt, riskiert eine starke Symptomverschlechterung (UCL News, 2025).

Wichtig: Auch in der Schweiz ist die ADHS-Therapie durch Psychiater:innen über die Krankenkasse (OKP) abrechenbar. Es bestehen auch Kombinationsmöglichkeiten mit einer Zusatzversicherung für alternative Verfahren. Einige Patient:innen erhalten zusätzlich zur Medikation eine IV-Rente, insbesondere wenn ADHS stark ausgeprägt und chronifiziert ist (UCL News, 2025).

Langfristig ist es sinnvoll, gemeinsam mit Fachpersonen einen Medikationsplan zu entwickeln, der auch Phasen wie Ferien, Stress oder Arbeitslosigkeit berücksichtigt (UCL News, 2025).

  1. Frühwarnzeichen erkennen und ernst nehmen

Typische Frühzeichen für einen Rückfall:

  • Vermehrte Reizbarkeit
  • Schlafstörungen
  • Konzentrationsprobleme
  • Aufschieberitis (Prokrastination)
  • Soziale Konflikte
  • Vermehrte Unruhe
  • Gefühl von «innerer Leere» oder Antriebslosigkeit

Tipp: Ein Symptomtagebuch (analog oder per App) kann helfen, erste Anzeichen zu dokumentieren. Es kann gemeinsam mit Therapeut:innen oder Coaches ausgewertet werden, um frühzeitig gegenzusteuern (UCL News, 2025).

Einige Betroffene berichten auch, dass körperliche Symptome wie Verspannungen, Kopfschmerzen oder Verdauungsprobleme bei ihnen frühe Warnsignale für eine psychische Überlastung sind (UCL News, 2025).

  1. Psychotherapie fortsetzen oder auffrischen

Eine Frau in professioneller Kleidung hält eine Brille in der Hand und wirkt nachdenklich. Die Szene vermittelt eine reflektierte Gesprächsatmosphäre. Solche ruhigen Momente sind typisch in einer ADHS Therapie in der Schweiz.Nach Abschluss einer Therapie kann es sinnvoll sein, regelmässige Check-ins einzuplanen, zum Beispiel alle 2–3 Monate. Auch Gruppentherapien oder Selbsthilfegruppen in der Region (z. B. ADHS Schweiz, ADHS PUK Zürich) können emotionale Stabilität fördern und Rückfällen vorbeugen (PsychiatryAdvisor, 2025).

Gerade bei Erwachsenen mit ADHS ist Rückfallprophylaxe oft ein eigenes Therapieziel, nicht selten mit IV-relevantem Kontext (z. B. bei drohendem Arbeitsplatzverlust, beruflicher Wiedereingliederung oder Prüfungsangst) (PsychiatryAdvisor, 2025).

Wer keinen Therapieplatz findet, kann auch kurzfristige Online-Angebote in Anspruch nehmen, z. B. über ADHS-Fachstellen oder digitale Programme wie MySkills oder HelloBetter. Auch Coaching-Formate zur Alltagsstrukturierung oder Resilienztraining können hier unterstützend wirken (PsychiatryAdvisor, 2025).

  1. Stressreduktion gezielt angehen

Stress ist ein zentraler Rückfallfaktor. Menschen mit ADHS neigen zu Überforderung, weil sie Belastungen oft spät wahrnehmen. Entspannungstechniken wie Achtsamkeit, Atemübungen, progressive Muskelentspannung oder Sport helfen nachweislich, das Nervensystem zu stabilisieren (The Guardian, 2025).

Auch kreative Hobbys, Naturaufenthalte und soziale Aktivitäten tragen zur emotionalen Balance bei, besonders wenn sie regelmässig stattfinden (The Guardian, 2025).

Empfehlung: In der Schweiz bieten viele Fachstellen für ADHS, darunter auch die PUK Zürich, ADHS Winterthur oder regionale Beratungsdienste, Kurse zur Stressbewältigung an, häufig auch online und abrechenbar über Zusatzversicherungen (The Guardian, 2025).

  1. Akzeptanz und Selbstfürsorge entwickeln

ADHS bleibt oft ein lebenslanger Begleiter. Akzeptanz bedeutet nicht Resignation, sondern die Fähigkeit, sich mit der eigenen Neurodiversität auseinanderzusetzen und gut für sich zu sorgen. Dazu gehören:

  • Offenheit gegenüber Hilfsangeboten
  • Individuelle Erfolgserlebnisse schaffen
  • Sich nicht mit anderen vergleichen
  • Rückschläge als Lernchancen begreifen

Viele Betroffene berichten, dass ein bewusster Umgang mit ADHS ihre Lebensqualität deutlich verbessert hat – etwa durch Psychoedukation, Austausch mit anderen (z. B. in Foren oder Gruppen), Podcasts oder Lektüre (The Guardian, 2025).

Hinweis: In der Schweiz ist auch eine Kombination aus Psychotherapie, Sozialarbeit und medizinischer Begleitung über die IV möglich – besonders wenn ADHS mit weiteren psychischen Erkrankungen einhergeht.

Fazit: Rückfälle sind vermeidbar: mit dem richtigen Mix

Ein Rückfall ist bei ADHS keine Seltenheit, aber er muss kein Schicksal sein. Mit strukturierter Selbstfürsorge, professioneller Begleitung und digitaler Unterstützung lässt sich Stabilität gezielt sichern. Die wichtigsten Instrumente dabei: Frühwarnzeichen ernst nehmen, Therapie nicht abrupt beenden, Alltagsstruktur pflegen, Stressreduktion aktiv angehen.

Gerade in der Schweiz stehen viele Wege offen, von OKP-finanzierten Therapieplätzen über ADHS-Fachstellen in Städten wie Zürich oder Winterthur bis hin zu IV-Unterstützung bei komplexeren Verläufen. Wichtig ist, dass Rückfallprävention nicht erst dann beginnt, wenn Symptome zurückkehren, sondern als dauerhafter Bestandteil im Alltag integriert wird.

Rezensentenblock

Porträt von Dr. Almedina Berisha, Ärztin im Team von klaro-adhs.ch. Sie unterstützt Patientinnen und Patienten bei der Diagnostik und Therapie von ADHS in der Schweiz. Das Bild zeigt sie im weissen Arztkittel mit Stethoskop vor einem klaro-Hintergrund.

Almedina Berisha

Ärztin Innere Medizin
Almedina Berisha ist Ärztin für Innere Medizin in der Schweiz mit besonderem Interesse an psychosomatischen Zusammenhängen und neurobiologischen Faktoren von ADHS. Sie prüft medizinische Inhalte auf klaro-adhs.ch auf wissenschaftliche Genauigkeit, klinische Relevanz und patientenverständliche Darstellung. Ihr Fokus liegt auf einer praxisnahen Vermittlung komplexer Themen der Erwachsenenmedizin und psychischen Gesundheit.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

  • Ja, ADHS kann Rückfälle begünstigen – insbesondere, wenn Stress, Überforderung oder fehlende Struktur den Alltag bestimmen. Typische Auslöser sind das Absetzen von Medikamenten, ein Therapieende ohne Nachsorge oder starke Lebensveränderungen. Wichtig ist, frühzeitig Warnzeichen zu erkennen und durch stabile Routinen, Therapie-Check-ins und Stressmanagement gegenzusteuern. In der Schweiz bieten ADHS-Coaches und Fachstellen gezielte Rückfallprävention an.

Quellenverzeichnis

  1. Barkley, R. A. (o. J.). ADHD Likely Reduces Estimated Life Expectancy by Young Adulthood. (Factsheet). https://www.russellbarkley.org/factsheets/ADHD_Likely%20_Reduces_Estimated_Life_Expectancy_Barkley.pdf
  2. Frontiers in Psychiatry (2024). The impacts associated with having ADHD: an umbrella review. Frontiers in Psychiatry. https://www.frontiersin.org/journals/psychiatry/articles/10.3389/fpsyt.2024.1343314/full
  3. Miranda, A., Berenguer, C., Rosello, B., Martínez-Raga, J., & Mulas, F. (2021). Contribution of family, behavioral, and neuropsychological factors to long-term functional outcomes in young adults with ADHD: A 12-year follow-up study. Sustainability, 13(2), 814. https://doi.org/10.3390/su13020814
  4. UCL / Study in UK (2025). Adults diagnosed with ADHD may have reduced life expectancies. UCL News. https://www.ucl.ac.uk/news/2025/jan/adults-diagnosed-adhd-may-have-reduced-life-expectancies
  5. PsychiatryAdvisor (2025). ADHD and Life Expectancy Are Inversely Linked in Diagnosed Adults. https://www.psychiatryadvisor.com/news/adhd-life-expectancy-inversely-linked-diagnosed-adults-treatment-risk/
  6. The Guardian (2025). Adults diagnosed with ADHD have shorter life expectancy, UK study shows. https://www.theguardian.com/society/2025/jan/23/adults-diagnosed-adhd-shorter-life-expectancy-attention-deficit-hyperactivity-disorder

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