Wer darf ADHS in der Schweiz diagnostizieren?

Veröffentlicht am: 01. Oktober 2025
Zuletzt ärztlich geprüft am: 06. Oktober 2025

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Porträt von Dr. med. Jens Westphal, Praktischer Arzt FMH und medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch. Er begleitet Patientinnen und Patienten in der Schweiz bei der Abklärung und Behandlung von ADHS. Das Bild zeigt ihn vor einem klaro-Hintergrund als Teil des ärztlichen Teams für ADHS Schweiz.

Dr. med. Jens Westphal

ADHS-Spezialist und Praktischer Arzt (FMH)
Dr. med. Jens Westphal ist Praktischer Arzt (FMH) mit langjähriger Erfahrung in der hausärztlichen Versorgung und Psychiatrie. Er ist medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch und prüft alle Inhalte rund um ADHS, Diagnostik und Therapie auf wissenschaftliche Genauigkeit und praktische Umsetzbarkeit in der Schweizer Grundversorgung.

Inhaltsverzeichnis

Wenn der Verdacht auf ADHS besteht, ist für viele Betroffene die wichtigste Frage: Wer darf in der Schweiz ADHS diagnostizieren? Die Antwort darauf ist entscheidend, nicht nur, um Klarheit über die eigene Situation zu gewinnen, sondern auch, weil eine offizielle Diagnose Voraussetzung für eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse (OKP) sein kann (Kooij et al., 2019).

In diesem Artikel geben wir dir einen umfassenden Überblick über die Zuständigkeiten bei der ADHS Diagnose in der Schweiz, nennen konkrete Berufsgruppen, erklären den Ablauf der Abklärung und zeigen dir, wie du passende Fachpersonen findest (Kooij et al., 2019).

  1. Was bedeutet «Diagnose» bei ADHS?

Die Diagnose einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist ein komplexer Prozess. Es reicht nicht, ein paar Online-Fragen zu beantworten (Zysset et al., 2023). Vielmehr ist eine umfassende fachliche Abklärung notwendig, bei der verschiedene Informationsquellen einbezogen werden:

  • Eigenanamnese (Selbsteinschätzung)
  • Fremdanamnese (z. B. Eltern, Partner:in)
  • standardisierte Fragebögen (z. B. DIVA 2.0, WURS)
  • psychologische Tests (Aufmerksamkeit, Gedächtnis etc.)
  • Ausschluss anderer Störungen (z. B. Depression, Burnout, Trauma)

Diese Abklärung darf in der Schweiz nur von bestimmten Fachpersonen durchgeführt und dokumentiert werden (Zysset et al., 2023).

  1. Wer darf in der Schweiz eine ADHS-Diagnose stellen?

Zwei Personen sitzen in einer modernen Praxisumgebung und führen ein Gespräch. Die Szene wirkt ruhig und vertrauensvoll – ein typisches Setting für ein erstes Gespräch bei ADHS-Verdacht in der Schweiz.

In der Schweiz ist die Diagnosestellung rechtlich geregelt. Folgende Fachpersonen dürfen eine offizielle ADHS-Diagnose stellen:

  1. a) Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapie

Diese Ärzt:innen haben ein Medizinstudium und eine fachspezifische Weiterbildung abgeschlossen. Sie dürfen Diagnosen stellen, Medikamente verschreiben und Therapien verordnen. Besonders in der Erwachsenenpsychiatrie sind sie häufig erste Ansprechpartner:innen bei ADHS (Zysset et al., 2023).

  1. b) Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie

Bei Kindern und Jugendlichen ist die Diagnostik besonders sensibel. Kinderpsychiater:innen verfügen über spezielles Know-how, um kindliche Entwicklungsphasen, schulische Faktoren und familiäre Dynamiken zu berücksichtigen (Mörstedt et al., 2015).

  1. c) Psycholog:innen mit eidgenössisch anerkannter Weiterbildung in Psychotherapie

Auch psychologische Psychotherapeut:innen dürfen ADHS diagnostizieren, sofern sie eine Berufsausübungsbewilligung (BAB) des jeweiligen Kantons haben. Sie arbeiten mit wissenschaftlich anerkannten Verfahren und beziehen in der Regel keine Medikamente ein (können aber mit Ärzt:innen kooperieren) (Mörstedt et al., 2015).

  1. d) Neuropsycholog:innen mit Fachtitel

Neuropsycholog:innen sind auf die Untersuchung von Hirnfunktionen spezialisiert. Sie können durch standardisierte Tests wichtige Hinweise auf ADHS liefern und in bestimmten Kantonen auch offizielle Diagnosen stellen, wenn sie über eine BAB verfügen (Wieber et al., 2018).

  1. Welche Voraussetzungen gelten für die Kostenübernahme durch die Krankenkasse?

Damit die Grundversicherung (OKP) die Kosten für eine ADHS-Abklärung oder -Behandlung übernimmt, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Die Abklärung erfolgt durch eine Fachperson mit gültiger Berufsausübungsbewilligung im jeweiligen Kanton.
  • Bei Psycholog:innen muss eine ärztliche Anordnung vorliegen (seit Inkrafttreten des Anordnungsmodells).
  • Die Diagnostik orientiert sich an den internationalen Klassifikationen (ICD-10/11 oder DSM-5).

Privat durchgeführte Abklärungen ohne Anbindung an die Grundversorgung können von den Kassen abgelehnt werden (Wieber et al., 2018).

  1. Wo finde ich Fachpersonen für die ADHS-Diagnose?Eine Ärztin sitzt am Schreibtisch, macht sich Notizen und bereitet wahrscheinlich einen Diagnosebericht oder Therapieplan vor. Auch medikamentöse Optionen können in der ADHS-Behandlung für Erwachsene in der Schweiz eine Rolle spielen.

Fachpersonen mit Berechtigung zur ADHS-Diagnostik findest du in:

  • psychiatrischen Praxen
  • psychologischen Ambulatorien
  • neuropsychologischen Zentren
  • ADHS-Zentren (z. B. in Zürich, Bern, Basel, Lausanne)
  • Spitälern mit psychologischer Abteilung

Weitere Anlaufstellen:

  • Website der FSP (Föderation Schweizer Psycholog:innen)
  • FMH-Register (Fachärzt:innen-Verzeichnis)
  • Plattformen wie ADHS20plus.ch oder ADHS.ch

Auch Selbsthilfegruppen oder Online-Foren können dir Empfehlungen geben.

  1. Fazit: Klarheit durch die richtige Fachperson

Die Diagnose ADHS kann ein Schlussfaktor für dein Wohlbefinden und deine Lebensplanung sein. Damit sie anerkannt wird und dir Zugang zu Therapien und eventuell Medikamenten verschafft, muss sie durch eine entsprechend qualifizierte Fachperson gestellt werden. In der Schweiz stehen dir viele Möglichkeiten offen, nutze sie (Ostinelli et al., 2025).

Tipp: Du suchst eine qualifizierte Fachperson für eine ADHS-Diagnose? Unsere erfahrenen Psycholog:innen begleiten dich kompetent, empathisch und online durch den gesamten Prozess. Jetzt kostenlos anfragen!

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Porträt von Dr. Almedina Berisha, Ärztin im Team von klaro-adhs.ch. Sie unterstützt Patientinnen und Patienten bei der Diagnostik und Therapie von ADHS in der Schweiz. Das Bild zeigt sie im weissen Arztkittel mit Stethoskop vor einem klaro-Hintergrund.

Almedina Berisha

Ärztin Innere Medizin
Almedina Berisha ist Ärztin für Innere Medizin in der Schweiz mit besonderem Interesse an psychosomatischen Zusammenhängen und neurobiologischen Faktoren von ADHS. Sie prüft medizinische Inhalte auf klaro-adhs.ch auf wissenschaftliche Genauigkeit, klinische Relevanz und patientenverständliche Darstellung. Ihr Fokus liegt auf einer praxisnahen Vermittlung komplexer Themen der Erwachsenenmedizin und psychischen Gesundheit.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

  • In der Schweiz dürfen Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiater:innen, sowie Psycholog:innen mit Berufsausübungsbewilligung (BAB) eine ADHS-Diagnostik durchführen. Auch Neuropsycholog:innen können Tests zur Aufmerksamkeit, Impulsivität und Konzentration anbieten. Wichtig ist, dass die Fachperson Erfahrung mit ADHS-Diagnostik nach DSM-5 oder ICD-10/11 hat.

Quellenverzeichnis

  1. Kooij, J. J. S., Bijlenga, D., Salerno, L., Jaeschke, R., Bitter, I., Balázs, J., … & Asherson, P. (2019). Updated European Consensus Statement on diagnosis and treatment of adult ADHD. European Psychiatry, 56, 14–34. https://doi.org/10.1016/j.eurpsy.2018.11.001
  2. Zysset, A., Robin, D., Albermann, K., Dratva, J., Hotz, S., Wieber, F., & von Rhein, M. (2023). Diagnosis and management of ADHD: A pediatric perspective on practice and challenges in Switzerland. BMC Pediatrics, 23, 103. https://doi.org/10.1186/s12887-023-03873-x
  3. Mörstedt, B., Corbisiero, S., Bitto, H., & Stieglitz, R.-D. (2015). Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD) in adulthood: Concordance and differences between self- and informant perspectives on symptoms and functional impairment. PLOS ONE, 10(11), e0141342. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0141342
  4. Wieber, F., Stutz, S., von Rhein, M., & Zysset, A. (2018). Diagnostics and treatment of ADHD in Switzerland. European Journal of Public Health, 28(suppl_4), cky214.212. https://doi.org/10.1093/eurpub/cky214.212
  5. Ostinelli, E. G., Schulze, M., Zangani, C., Farhat, L. C., Tomlinson, A., Del Giovane, C., … & Cortese, S. (2025). Comparative efficacy and acceptability of pharmacological, psychological, and neurostimulatory interventions for ADHD in adults: A systematic review and component network meta-analysis. The Lancet Psychiatry, 12(1), 32–43. https://doi.org/10.1016/S2215-0366(24)00360-2

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