ADHS und Angststörungen treten häufig gemeinsam auf, und das ist kein Zufall. Rund ein Drittel aller Menschen mit ADHS entwickelt im Laufe des Lebens auch eine Angststörung. Die Kombination ist besonders tückisch, weil beide Störungen sich gegenseitig verstärken können. Besonders betroffen sind Frauen mit dem sogenannten unaufmerksamen ADHS-Typ. Bei ihnen stehen nicht Hyperaktivität oder impulsives Verhalten im Vordergrund, sondern innere Anspannung, ständige Selbstzweifel und das Bedürfnis, sich zurückzuziehen. Dieses Muster führt oft dazu, dass Ängste chronisch werden, etwa in Form von sozialem Rückzug, Vermeidungsverhalten oder generalisierter Angst (Kessler et al., 2006).
Suchbegriffe wie «adhs und angststörung», «angststörung durch adhs» oder «adhs panikattacken» zeigen, wie präsent diese Themen in der Realität vieler Betroffener sind. Trotzdem wird diese Komorbidität in der klinischen Praxis nach wie vor häufig übersehen. Gerade bei Erwachsenen fehlt es oft an spezialisierten Angeboten, die beide Störungen im Zusammenspiel betrachten, mit gravierenden Folgen für die Lebensqualität (Kessler et al., 2006).
Wer mit ADHS lebt, kennt den täglichen Kampf gegen das Chaos: vergessene Termine, nicht eingehaltene Deadlines, ein Berg unerledigter Aufgaben. Dazu kommt der ständige innere Druck, funktionieren zu müssen, obwohl die eigene Reizverarbeitung schneller überlastet ist als bei anderen. Diese Alltagsüberforderung ist nicht einfach nur stressig, sie führt auf Dauer zu einem Zustand chronischer Alarmbereitschaft. Der Körper reagiert mit muskulärer Anspannung, Schlafstörungen und innerer Unruhe. Das Gehirn, ohnehin sensibel für Reize, beginnt, in ständiger Bedrohung zu denken. Die Folge: Angstreaktionen werden wahrscheinlicher und intensiver erlebt (Kessler et al., 2006).
Wenn dann noch eine genetische Veranlagung oder belastende Kindheitserfahrungen dazukommen, entsteht ein perfekter Nährboden für die Entwicklung einer Angststörung. Der Übergang ist dabei oft schleichend: Was als gelegentliche Sorge beginnt, wird zu ständiger Anspannung, dann zu Vermeidung, und irgendwann zur dauerhaften Angst. Deshalb ist es so wichtig, beide Störungsbilder im Zusammenhang zu betrachten und individuell passende Hilfe zu bieten (Kessler et al., 2006).
Symptome: Angst oder ADHS?
Die Herausforderung in der Diagnostik: Viele Symptome überschneiden sich. Konzentrationsprobleme, Unruhe, Reizbarkeit, emotionale Anspannung und Schlafstörungen treten sowohl bei ADHS als auch bei Angststörungen auf, was die Unterscheidung erschwert (D’Agati et al., 2019). Dennoch gibt es einige Merkmale, die helfen können, die beiden Störungsbilder voneinander abzugrenzen:
- Bei ADHS stehen vor allem Impulsivität, Ablenkbarkeit, innere Rastlosigkeit und eine schnelle Reizüberflutung im Vordergrund. Menschen mit ADHS neigen zu sprunghaftem Verhalten, Handlungsabbrüchen und dem Gefühl, „nie zur Ruhe zu kommen“.
- Bei Angststörungen dominieren übermäßige Sorgen, häufiges Grübeln, Vermeidungsverhalten, körperliche Anspannung sowie Symptome wie Herzrasen, Schwitzen oder Atemnot, besonders in belastenden oder unbekannten Situationen.
Besonders komplex wird die Unterscheidung bei sozialer Angst: Viele ADHS-Betroffene entwickeln im Laufe ihres Lebens eine soziale Ängstlichkeit – etwa aus Angst, durch impulsive Bemerkungen oder Vergesslichkeit negativ aufzufallen. Dieses ständige Gefühl, beobachtet oder bewertet zu werden, führt oft dazu, dass Gespräche oder Gruppensituationen gemieden werden. Daraus kann ein Teufelskreis entstehen: Weniger soziale Interaktion bedeutet weniger Übung, was wiederum die Unsicherheit verstärkt. Das Gefühl, «nicht normal» oder „nicht gut genug“ zu sein, löst zusätzlichen emotionalen Druck aus und verstärkt sowohl ADHS- als auch Angstsymptome (D’Agati et al., 2019).
Entscheidend ist daher eine genaue und differenzierte Diagnostik. Denn nur wenn klar ist, welche Symptome auf welches Störungsbild zurückgehen, kann die Behandlung wirksam angepasst werden (D’Agati et al., 2019).
Was ist Ursache, was Folge?
Nicht immer ist klar, ob die Angst durch das ADHS ausgelöst wird oder ob sie als eigenständige Störung besteht. Viele Betroffene berichten, dass die ständigen Überforderungen, das soziale Scheitern oder die chaotischen Lebensumstände im Alltag zu einer dauerhaften Anspannung führen – aus der sich mit der Zeit eine Angststörung entwickelt. Der ständige Druck, „funktionieren“ zu müssen, obwohl die eigenen Ressourcen begrenzt sind, erzeugt ein Gefühl der Hilflosigkeit. Wenn dann zusätzlich Rückschläge oder soziale Ablehnung hinzukommen, kann das die Angstspirale weiter verstärken. Betroffene erleben sich häufig als „anders“, was zusätzlich zur Isolation beiträgt (D’Agati et al., 2019).
In anderen Fällen besteht die Angststörung schon lange, zum Beispiel in Form sozialer Phobien, generalisierter Ängste oder Panikattacken. Die ADHS-Symptome treten hier eher begleitend auf oder werden erst später auffällig, etwa wenn der Stresspegel steigt oder neue Anforderungen dazukommen. Auch hier kann ein Teufelskreis entstehen: Die Angst hemmt die Handlungsfähigkeit, das ADHS verstärkt die Reizüberflutung, beides zusammen führt zu chronischer Überforderung (D’Agati et al., 2019).
Deshalb ist eine fundierte Abklärung durch erfahrene Fachpersonen unerlässlich. Dabei sollte nicht nur die aktuelle Symptomatik berücksichtigt werden, sondern auch der Verlauf über die Lebensspanne. Gab es schon in der Kindheit Hinweise auf ADHS? Wurden früh Ängste beobachtet? Solche Informationen helfen dabei, die richtige Diagnose zu stellen und die Therapie gezielt zu gestalten.
Je nach individueller Ausprägung sollte die Behandlung angepasst werden. Fachleute empfehlen in der Regel, mit der Symptomatik zu beginnen, die das Leben aktuell am meisten einschränkt. Leichte bis mittelgradige Angststörungen verbessern sich oft schon durch eine wirksame ADHS-Therapie, da die innere Anspannung nachlässt und alltägliche Aufgaben wieder besser bewältigt werden können. Umgekehrt kann eine gezielte Behandlung der Angst dazu beitragen, dass die ADHS-Symptome weniger belastend erlebt werden. Wichtig ist in jedem Fall ein integrativer Ansatz, der beide Störungsbilder ernst nimmt (D’Agati et al., 2019).
Behandlung: Gemeinsam statt getrennt denken
Medikamente:
- Bei ADHS kommen vorrangig Stimulanzien wie Methylphenidat oder Lisdexamfetamin zum Einsatz. Sie wirken direkt auf das zentrale Nervensystem und verbessern Konzentration, Antrieb und Impulskontrolle (Choi et al., 2022).
- Wenn zusätzlich eine Angststörung vorliegt, kann eine Kombinationstherapie sinnvoll sein. In solchen Fällen kommen häufig Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Sertralin oder Escitalopram zum Einsatz. Diese helfen, die emotionale Anspannung zu reduzieren und Ängste langfristig zu lindern (Choi et al., 2022).
- Wichtig ist dabei eine engmaschige ärztliche Begleitung: Nicht jedes Medikament eignet sich für jede Kombination von Symptomen. Manche Stimulanzien können bei bestehender Angstproblematik anfänglich zu einer Zunahme der Unruhe führen, eine sorgfältige Dosierung und regelmäßige Rückmeldungen sind daher unerlässlich (Choi et al., 2022).
Psychotherapie:
- Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) gilt als effektivste Methode bei ADHS und Angststörungen. Sie ermöglicht es Betroffenen, automatisierte, angstverstärkende Gedanken zu identifizieren und durch realistischere, konstruktive Denkmuster zu ersetzen (Katzman et al., 2017).
- Zudem wird gezielt an Verhaltensstrategien gearbeitet, etwa an der Verbesserung von Selbststrukturierung, Impulskontrolle und Stressbewältigung (Katzman et al., 2017).
- Kombinierte Angebote, die ADHS-spezifisches Coaching mit einer angstzentrierten Therapie verbinden, bieten besonders gute Ergebnisse. Dabei werden Techniken aus der Verhaltenstherapie mit alltagstauglichen Strategien ergänzt, z. B. zur besseren Tagesplanung oder zum Umgang mit Reizüberflutung (NICE, 2011/2024).
Selbsthilfe & Alltagstipps:
- Ein strukturierter Alltag ist für viele Betroffene die beste Prävention gegen Überforderung und Angst. Feste Tagesabläufe, klare Prioritäten und kleine, erreichbare Etappenziele helfen, die Reizflut zu reduzieren (Weiss et al., 2012).
- Ergänzend unterstützen Bewegung, Naturerleben, Achtsamkeitstraining und Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung oder Atemübungen dabei, innere Unruhe zu regulieren (Weiss et al., 2012).
- Auch gesunder Schlaf spielt eine zentrale Rolle, Schlafhygiene umfasst feste Zubettgehzeiten, reizfreie Abendroutinen und möglichst wenig Bildschirmzeit vor dem Einschlafen (Coughlin et al., 2015).
- Besonders hilfreich kann auch der Austausch mit anderen Betroffenen sein. Selbsthilfegruppen, ob online oder vor Ort, bieten Raum für gegenseitige Unterstützung, praktische Tipps und das entlastende Gefühl: „Ich bin nicht allein mit meinen Herausforderungen.“ (Coughlin et al., 2015)
Fazit: Angst ernst nehmen, ADHS mitdenken
Wenn du ADHS hast und dich zugleich mit Ängsten plagst, bist du nicht allein. Viele Betroffene erleben diese Kombination. Wichtig ist: Lass deine Symptome nicht kleinreden. Begriffe wie «adhs angststörung», «angststörung bei adhs» oder «welches adhs medikament bei angststörung» zeigen, wie sehr das Thema bewegt.
Sprich mit Fachpersonen, die sich mit beiden Störungen auskennen. In der Schweiz gibt es zunehmend Angebote für Menschen mit ADHS und komorbiden Angststörungen, auch im Rahmen der OKP.
Deine Angst ist real. Aber sie ist behandelbar, besonders dann, wenn man das ADHS nicht übersieht.
