Chronischer Stress wird oft unterschätzt. Viele denken dabei nur an ein hohes Arbeitspensum oder zeitweilige Überforderung. Doch chronischer Stress geht weit darüber hinaus, er kann Körper und Psyche dauerhaft schädigen. Besonders bei Menschen mit ADHS, die häufig mit innerer Unruhe, Reizüberflutung und einem schwankenden Energielevel kämpfen, verstärken sich diese Belastungen schnell. Was bei anderen vielleicht noch als „Alltagsstress“ durchgeht, kann bei ADHS-Betroffenen eine starke emotionale und körperliche Reaktion auslösen (William et al., 2024).
Psychotherapie kann hier eine zentrale Rolle spielen. Sie setzt dort an, wo Betroffene selbst keine Strategien mehr finden. In einem geschützten Rahmen können belastende Denk- und Verhaltensmuster erkannt und schrittweise verändert werden. Das Ziel: ein besserer Umgang mit Stress, mehr Selbstfürsorge und langfristige seelische Stabilität (William et al., 2024).
Typische Gründe, warum Psychotherapie bei chronischem Stress sinnvoll ist:
- Stressmuster erkennen: Viele Belastungen entstehen durch unbewusste Denkmuster wie Perfektionismus oder ständige Selbstkritik. Diese können in der Therapie identifiziert und hinterfragt werden.
- Eigene Bedürfnisse ernst nehmen: In der Therapie lernen viele Betroffene zum ersten Mal, ihre eigenen Grenzen zu erkennen und zu respektieren, statt sich dauerhaft zu überfordern.
- Bewältigungsstrategien entwickeln: Gemeinsam mit der Therapeutin oder dem Therapeuten werden alltagsnahe Methoden erarbeitet, um mit Stress besser umzugehen.
- Ressourcen aktivieren: Die Therapie hilft, innere Stärken (wieder) zu entdecken und sie gezielt zur Stressbewältigung einzusetzen.
- Langfristige Entlastung schaffen: Durch regelmäßige therapeutische Begleitung kann der Stresspegel dauerhaft gesenkt und die Lebensqualität verbessert werden.
Gerade bei ADHS zeigt sich, wie wichtig ein individueller und strukturierter Umgang mit Stress ist. Psychotherapie bietet hier nicht nur kurzfristige Erleichterung, sondern schafft die Grundlage für nachhaltige Veränderung. Wer frühzeitig Unterstützung sucht, kann verhindern, dass sich Stress zu einem dauerhaften Gesundheitsrisiko entwickelt (William et al., 2024).
Was ist chronischer Stress und warum trifft er ADHS-Betroffene besonders?
Chronischer Stress entsteht, wenn der Körper über längere Zeit in einem Zustand erhöhter Anspannung bleibt, ohne ausreichend Erholung zu finden. Anders als akuter Stress, der kurzfristig
sogar leistungsfördernd sein kann, wirkt sich chronischer Stress langfristig negativ auf Psyche und Körper aus. Bei Menschen mit ADHS ist die Schwelle zur Überforderung oft niedriger: Der Alltag wird als chaotischer, unvorhersehbarer und emotional intensiver erlebt. Viele Betroffene fühlen sich dauerhaft „im Alarmzustand“, ohne je ganz zur Ruhe zu kommen (William et al., 2024).
Während andere nach einem vollen Tag abschalten oder sich erholen können, drehen Gedanken bei ADHS-Betroffenen oft weiter. Diese anhaltende mentale Aktivierung belastet das Nervensystem, den Hormonhaushalt und die emotionale Stabilität (William et al., 2024).
Typische Anzeichen chronischen Stresses bei ADHS:
- Anhaltende körperliche Erschöpfung, auch wenn ausreichend geschlafen wurde
- Innere Unruhe und emotionale Anspannung, häufig begleitet von Reizbarkeit oder Stimmungsschwankungen
- Kognitive Symptome wie Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit oder das Gefühl von geistiger Leere
- Psychosomatische Beschwerden, etwa Kopfschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Muskelverspannungen oder häufige Infekte
- Soziale Überforderung, ständiges Rückzugsbedürfnis, Konflikte mit Mitmenschen
- Verlust der Belastungsgrenze, alltägliche Aufgaben fühlen sich plötzlich zu viel an
Warum gerade ADHS-Betroffene so anfällig für chronischen Stress sind:
- Schwierigkeiten in der Selbstorganisation: Termine, To-dos, Struktur, all das fällt vielen mit ADHS schwer. Das Gefühl, ständig hinterherzuhinken, ist ein permanenter Stressor.
- Hohe Reizoffenheit: Geräusche, Gespräche, visuelle Eindrücke, ADHS-Betroffene nehmen viele Reize gleichzeitig wahr und können diese schwer filtern. Die ständige Überstimulation führt schnell zu Erschöpfung.
- Ablenkbarkeit und Prokrastination: Was als Aufschieben beginnt, endet oft in Last-Minute-Stress, Selbstvorwürfen und innerem Druck.
- Überhöhte Ansprüche an sich selbst: Viele kompensieren ihre Unsicherheiten mit Perfektionismus oder übermäßigem Leistungswillen, ein gefährlicher Nährboden für chronische Überforderung.
- Negative Erfahrungen: Schulversagen, Kritik, Missverständnisse, diese Erlebnisse hinterlassen Spuren. Viele ADHS-Betroffene gehen mit einem Grundgefühl von „nicht gut genug sein“ durchs Leben, was die Stressverarbeitung zusätzlich erschwert.
Je früher erkannt wird, wie stark ADHS mit chronischem Stress zusammenhängt, desto eher können gezielte Gegenmassnahmen helfen, etwa durch Psychotherapie, achtsame Tagesstruktur oder einen besseren Umgang mit persönlichen Grenzen (William et al., 2024).
Wie Psychotherapie bei chronischem Stress hilft
Psychotherapie schafft einen geschützten Raum, in dem chronischer Stress nicht nur besprochen, sondern auch aktiv verändert werden kann. Ziel ist es, individuelle Belastungsmuster zu erkennen, innere Antreiber zu hinterfragen und neue Strategien im Alltag zu erproben. Besonders bei ADHS hilft Psychotherapie, Chaos durch Klarheit zu ersetzen, ohne überhöhte Ansprüche (William et al., 2024).
Typische Ziele in der psychotherapeutischen Arbeit:
- Mehr innere Ruhe und weniger Reizüberflutung
- Besserer Umgang mit Druck, Versagensängsten und Selbstkritik
- Aufbau realistischer Erwartungen an sich selbst und andere
- Entwicklung konkreter Werkzeuge zur Stressregulation
Je nach Methode und individuellem Bedarf kommen unterschiedliche Therapieformen zum Einsatz:
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Verhaltenstherapie

Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) ist besonders wirksam bei chronischem Stress. Sie setzt direkt an Gedanken- und Verhaltensmustern an, die Stress verstärken, und hilft dabei, diese zu verändern (William et al., 2024).
Typische Elemente:
- Identifikation stressverschärfender Denkweisen
Zum Beispiel: „Ich darf keine Fehler machen“, „Ich muss es allen recht machen“, solche inneren Glaubenssätze werden aufgedeckt und hinterfragt. - Entwicklung neuer, entlastender Gedanken
Zum Beispiel: „Ich darf auch mal Nein sagen“, „Nicht alles muss perfekt sein“. - Training alltagsnaher Stressbewältigungs-Techniken
Dazu zählen gezielte Atemübungen, Selbstinstruktionen oder Kurzpausen-Strategien für akute Belastungssituationen. - Strukturaufbau bei ADHS
Mithilfe der Therapie werden feste Routinen, Prioritätenlisten und realistische Zeitpläne aufgebaut. Auch das gezielte Einplanen von Pausen und Erholungsphasen ist ein zentrales Ziel.
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Achtsamkeitsbasierte Verfahren (MBCT, MBSR)
Achtsamkeitsbasierte Methoden verbinden meditative Übungen mit Elementen der Verhaltenstherapie und helfen, automatisierte Stressreaktionen zu durchbrechen (William et al., 2024).
Ziele und Inhalte:
- Stärkung der Selbstwahrnehmung
Durch Übungen wie Body Scan oder Atemmeditation lernen Betroffene, eigene Körpersignale und Stresssymptome frühzeitig zu erkennen. - Bessere Reizverarbeitung bei ADHS
Achtsamkeit hilft dabei, sich nicht sofort von jedem inneren oder äußeren Reiz ablenken zu lassen, sondern fokussiert zu bleiben. - Reduktion von Grübelschleifen
Statt sich im Denken zu verlieren, lernen Klientinnen und Klienten, sich wieder im Hier und Jetzt zu verankern. - Förderung der Akzeptanz
Nicht jeder Stressfaktor lässt sich eliminieren, Achtsamkeit lehrt, den Umgang mit Unvermeidbarem gelassener zu gestalten.
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Tiefenpsychologisch fundierte Verfahren
Tiefenpsychologische Psychotherapie schaut auf unbewusste Konflikte, Prägungen aus der Kindheit oder alte Beziehungsmuster, also auf das, was unter der Oberfläche wirkt (William et al., 2024).
Typische Themen:
- Aufarbeitung früher Stress- und Bindungserfahrungen (Nasri et al., 2023)
Zum Beispiel: „Ich wurde nur geliebt, wenn ich Leistung gebracht habe“, solche Sätze wirken auch im Erwachsenenalter weiter. - Bearbeitung innerer Antreiber (Nasri et al., 2023)
Etwa: „Ich darf nie schwach sein“ oder „Ich muss immer stark wirken“. - Stärkung des Selbstwertgefühls (Nasri et al., 2023)
Ein stabiler Selbstwert ist ein natürlicher Schutzfaktor gegen Überforderung. Ziel ist es, die eigenen Bedürfnisse besser zu erkennen und sich selbst mehr Wertschätzung entgegenzubringen. - Reflexion unbewusster Rollenmuster (Nasri et al., 2023)
Zum Beispiel: Warum übernehme ich immer zu viel Verantwortung? Warum kann ich schlecht delegieren?
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ADHS-spezifische Elemente
Bei Menschen mit ADHS braucht es oft eine Kombination aus Struktur, Verständnis und alltagsnaher Begleitung. Hier setzen spezifische Interventionen an (Grossman et al., 2004).
Beispielhafte Inhalte:
- Psychoedukation zu ADHS und Stressverarbeitung
Verstehen, wie das eigene Gehirn tickt, und warum ADHS-Betroffene besonders stressanfällig sind. - Strategien für Impulsivität und Frustrationstoleranz
Wie gelingt es, nicht gleich auszurasten? Was hilft, wenn Dinge nicht nach Plan laufen? - Integration externer Hilfsmittel
Kalender, Reminder-Apps, Timer oder visuelle To-Do-Listen können helfen, den Alltag besser zu steuern. - Stärkung der Selbstfürsorge
Viele ADHS-Betroffene neigen zu Selbstüberforderung. Die Therapie fördert gezielt einen fürsorglicheren Umgang mit eigenen Grenzen.
Was du in der Therapie lernst
Psychotherapie zielt nicht nur auf kurzfristige Entlastung, sondern auf nachhaltige Veränderung. Es geht nicht darum, Stress nur „wegzumachen“, sondern deine innere Haltung zu verstehen, und langfristig neue, gesündere Wege zu gehen. In der Therapie entwickelst du ein besseres Verständnis für dich selbst, lernst klare Strategien zur Stressbewältigung und baust Schritt für Schritt mehr Selbstvertrauen auf (Grossman et al., 2004).
Du lernst unter anderem:
- Deine inneren Antreiber zu erkennen und zu hinterfragen (Khoury et al., 2015)
Sätze wie „Ich darf nie Schwäche zeigen“ oder „Ich muss es allen recht machen“ wirken oft unbewusst, beeinflussen aber massiv dein Verhalten und dein Stressempfinden. In der Therapie lernst du, diese Muster zu entlarven, und Schritt für Schritt loszulassen. - Frühwarnzeichen von Überforderung ernst zu nehmen (Khoury et al., 2015)
Viele Menschen übergehen erste Anzeichen wie Schlafstörungen, Gereiztheit oder ständige Erschöpfung. In der Therapie übst du, diese Signale rechtzeitig zu erkennen, und nicht erst dann zu reagieren, wenn der Körper dich zum Stopp zwingt. - Gesunde Grenzen zu setzen, im Alltag, im Beruf und in Beziehungen (Khoury et al., 2015)
„Nein“ zu sagen, ohne Schuldgefühle zu haben, fällt vielen schwer. In der Therapie lernst du, deine eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen,und dich abzugrenzen, ohne andere zu verletzen. - Mit Rückschlägen achtsamer umzugehen (Curtiss & Klemanski, 2021)
Perfektionismus und Selbstkritik führen oft dazu, dass kleine Misserfolge als persönliches Versagen erlebt werden. Du lernst, Rückschläge realistisch zu bewerten, und dich in schwierigen Phasen mit Mitgefühl statt Härte zu begleiten. - Deine Bedürfnisse und Ressourcen ernst zu nehmen, ohne schlechtes Gewissen (Curtiss & Klemanski, 2021)
Statt nur zu „funktionieren“, entwickelst du ein Gefühl dafür, was dir guttut, körperlich, emotional und sozial. Du lernst, dich selbst als Priorität wahrzunehmen, ohne egoistisch zu sein. - Alltagsstrategien für mehr Stabilität (Curtiss & Klemanski, 2021)
Gemeinsam mit deiner Therapeutin oder deinem Therapeuten entwickelst du Routinen und Techniken, die dir im Alltag helfen: von Mini-Pausen über klare Zeitpläne bis zu Tools für mehr Struktur.
In der Summe geht es darum, dich aus der chronischen Anspannung zu lösen, und Schritt für Schritt wieder handlungsfähig zu werden (Curtiss & Klemanski, 2021).
Wann Psychotherapie sinnvoll ist
Nicht jeder Stress braucht sofort therapeutische Hilfe, aber chronischer Stress kann sich schleichend in alle Lebensbereiche ausbreiten. Je früher du Warnzeichen erkennst, desto besser kannst du gegensteuern. Psychotherapie ist dann besonders sinnvoll, wenn sich körperliche und seelische Belastungen über längere Zeit halten oder verstärken (Karolinska News, 2020).
Du solltest professionelle Unterstützung in Betracht ziehen, wenn du:
- dich dauerhaft erschöpft fühlst, auch nach Ruhepausen
Dein Akku lädt nicht mehr richtig auf, egal ob du ausschläfst, Urlaub machst oder Freizeit hast? Ein deutliches Warnsignal, das auf chronischen Stress oder ein tieferliegendes Problem hinweisen kann. - körperliche Symptome zunehmen, ohne klare medizinische Ursache
Häufige Kopfschmerzen, Verspannungen, Verdauungsprobleme oder Herzrasen sind nicht selten Ausdruck von psychischer Dauerbelastung, insbesondere, wenn ärztlich keine organischen Gründe gefunden werden. - du das Gefühl hast, „nur noch zu funktionieren“
Wenn dein Alltag nur noch aus Pflichten besteht und du innerlich „abgeschaltet“ hast, fehlt oft der Kontakt zu eigenen Bedürfnissen. Eine Therapie kann helfen, dich wieder mit dir selbst zu verbinden. - Schlafstörungen, Grübelgedanken oder Ängste auftreten
Einschlafprobleme, nächtliches Aufwachen oder ständiges Gedankenkarussell können Anzeichen innerer Überlastung sein. Auch neue oder zunehmende Ängste, Gereiztheit oder depressive Verstimmungen solltest du ernst nehmen. - deine berufliche oder soziale Leistungsfähigkeit spürbar leidet
Du machst mehr Fehler, vergisst Dinge, ziehst dich zurück oder hast Mühe, dich zu konzentrieren? Das sind klare Hinweise, dass dein Nervensystem überlastet ist, und professionelle Hilfe sinnvoll sein kann. - du merkst, dass du dich veränderst, und dich selbst kaum noch erkennst
Wenn du immer mehr das Gefühl hast, „nicht mehr du selbst“ zu sein, dich emotional abgestumpft oder überfordert fühlst, ist das ein guter Moment, dir Unterstützung zu holen.
Psychotherapie ist keine Schwäche, sondern eine Form der Selbstfürsorge. Sie hilft dir, wieder in deine Kraft zu kommen, Muster zu erkennen und neue Wege im Umgang mit Belastung zu finden (Karolinska News, 2020).
So findest du passende Unterstützung
In der Schweiz gibt es niederschwellige Möglichkeiten, eine Psychotherapie zu starten, auch digital. Bei klaro kannst du bequem von zu Hause aus beginnen (Karolinska News, 2020). So läuft es ab:
- Unverbindliche Anfrage
Du füllst online einen kurzen Fragebogen aus. So klären wir gemeinsam, ob eine Therapie für dich infrage kommt. - Psychologische Erstabklärung
In einem ersten Gespräch mit einer Psychologin oder einem Psychologen wird deine Situation eingeordnet – professionell, vertraulich und auf Augenhöhe. - Organisation der Überweisung
Wenn eine Therapie indiziert ist, kümmern wir uns intern um die nötige ärztliche Überweisung. Du musst dich um nichts weiter kümmern. - Start der Therapie, auf Rezept
Ist alles geklärt, kannst du deine psychotherapeutischen Sitzungen mit einer OKP-zugelassenen Fachperson starten – die Kosten übernimmt die Grundversicherung.
Diese Lösung ist besonders geeignet, wenn du schnelle, fachlich fundierte Unterstützung suchst, ohne monatelang auf einen Termin warten zu müssen. Online-Therapie bietet dir Flexibilität und gleichzeitig die Sicherheit einer anerkannten Behandlung nach Schweizer Standard (Karolinska News, 2020).
Fazit: Psychotherapie hilft, aus dem Stress-Karussell auszusteigen
Chronischer Stress ist keine Schwäche, sondern eine ernstzunehmende Belastung, vor allem bei ADHS. Eine psychotherapeutische Begleitung kann dir helfen, deinen Alltag langfristig gesünder und entspannter zu gestalten.