Menschen mit ADHS gelten oft als kreativ, energiegeladen und ideenreich. Sie denken quer, reagieren blitzschnell und bringen frischen Wind in Teams. Doch genau diese Eigenschaften, die im richtigen Umfeld ein Vorteil sein können, werden im beruflichen Alltag schnell zur Belastung – vor allem dann, wenn Strukturen, Regeln und Selbstorganisation gefragt sind (Chan, Teo & Chua, 2024).
ADHS im Arbeitsleben bedeutet häufig:
- hoher innerer Druck, den Erwartungen anderer zu entsprechen,
- ständige Anstrengung, um konzentriert und zuverlässig zu arbeiten,
- ständige Unsicherheit, ob man etwas vergessen oder übersehen hat,
- Schwierigkeiten mit Zeitmanagement, Priorisierung und Teamabsprachen.
Was für andere selbstverständlich ist – zum Beispiel pünktlich abzugeben, sich durchzusetzen oder „den Faden nicht zu verlieren“ – wird für viele Betroffene zur täglichen Kraftprobe (Chan, Teo & Chua, 2024).
Dauerstress im Kopf
ADHS bedeutet nicht einfach nur „Unruhe“. Es ist ein neurobiologischer Zustand, bei dem das Gehirn Informationen anders verarbeitet (Chan, Teo & Chua, 2024). Das wirkt sich im Beruf oft folgendermaßen aus:
- Reize werden nicht gut gefiltert. Kollegen, E-Mails, Hintergrundgeräusche – alles dringt gleichzeitig ins Bewusstsein und erzeugt Dauerstress.
- Der innere Antrieb schwankt stark. Motivation kann explosionsartig aufkommen – und ebenso schnell wieder verschwinden.
- Das Gedächtnis ist oft überfordert. Aufgaben, Ideen oder Termine gehen verloren, weil die Informationsflut zu groß wird.
- Soziale Interaktionen sind anstrengend. Kritik, Rückfragen oder Konflikte werden intensiver wahrgenommen und emotionaler verarbeitet.
Wenn der Alltag zur Überforderung wird
Viele Menschen mit ADHS kennen das Gefühl, immer einen Schritt hinterher zu sein – trotz grosser Anstrengung. Der Beruf wird dann schnell zur Dauerbelastung (Chan, Teo & Chua, 2024). Typische Situationen sind zum Beispiel:
- Man beginnt motiviert, verliert aber bald die Struktur.
- Man bekommt gute Rückmeldungen für kreative Ideen, fällt aber durch Unzuverlässigkeit auf.
- Man fühlt sich nach Meetings ausgelaugt, weil zu viele Eindrücke verarbeitet werden mussten.
- Man zweifelt an sich, obwohl objektiv gute Arbeit geleistet wurde.
Diese tägliche emotionale Anspannung kann sich über Wochen und Monate aufbauen – bis sie sich in Form von Erschöpfung, Rückzug oder psychosomatischen Beschwerden entlädt (Chan, Teo & Chua, 2024).
Was bedeutet emotionale Erschöpfung bei ADHS?
Emotionale Erschöpfung ist mehr als nur „ein bisschen müde sein“. Sie beschreibt einen Zustand tiefer innerer Erschöpfung, der nicht einfach durch ein Wochenende mit Ausschlafen oder einen freien Tag verschwindet. Körperlich mag man sich vielleicht noch halbwegs fit fühlen – aber innerlich ist „nichts mehr da“. Die Kraft, sich zu konzentrieren, mit anderen zu kommunizieren oder Aufgaben aktiv anzugehen, schwindet (Chan, Teo & Chua, 2024).
Gerade bei ADHS entsteht dieser Zustand oft schneller und intensiver als bei anderen Menschen. Der Grund: Das Gehirn arbeitet ohnehin unter hoher Grundanspannung, weil Reize schlechter gefiltert, Gedanken schwer gebündelt und Emotionen intensiver erlebt werden. Wird dieser Zustand chronisch, entsteht eine tiefgreifende Form der Erschöpfung – eine, die sich nicht einfach „wegdisziplinieren“ lässt (Chan, Teo & Chua, 2024).
Warum ADHS das Risiko erhöht
Menschen mit ADHS sind besonders anfällig für emotionale Erschöpfung, weil sie sich im Arbeitsalltag oft überfordern – auch unbewusst. Gründe dafür sind unter anderem:
- Ständige Reizüberflutung, zum Beispiel in offenen Büros, bei vielen parallelen Aufgaben oder im digitalen Multitasking (Chan, Teo & Chua, 2024).
- Hoher Leistungsdruck, weil sie sich mehr anstrengen müssen, um denselben Output zu erzielen wie andere – insbesondere bei Konzentrations- und Organisationsthemen (Chan, Teo & Chua, 2024).
- Perfektionismus oder Überkompensation, häufig aus einem Wunsch heraus, „endlich zu funktionieren“ oder „nicht negativ aufzufallen“ (Chan, Teo & Chua, 2024).
- Zwischenmenschlicher Stress, etwa durch Missverständnisse, Kritik oder das Gefühl, „immer anders zu ticken“ (Chan, Teo & Chua, 2024).
Oft kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Betroffene erkennen ihre Erschöpfung erst sehr spät – weil sie gelernt haben, sich durchzubeißen und Anzeichen von Überforderung zu ignorieren (Chan, Teo & Chua, 2024).
Typische Anzeichen emotionaler Erschöpfung bei ADHS
Wenn du dich in deinem Beruf ständig überfordert, reizbar oder wie „ausgebrannt“ fühlst, könnten folgende Symptome auf eine emotionale Erschöpfung hinweisen:
- Konzentration fällt schwer, selbst bei Aufgaben, die früher leicht fielen.
- Schnelle Erschöpfung, auch nach einfachen Tätigkeiten wie E-Mails, Besprechungen oder kurzen Projekten.
- Emotionale Dünnhäutigkeit, zum Beispiel starke Reaktionen auf kleine Kritik oder das Gefühl, ständig am Limit zu sein.
- Innere Unruhe trotz Müdigkeit, man kann weder richtig arbeiten noch sich wirklich erholen.
- Gedankenkarussell, das selbst nach Feierabend nicht zur Ruhe kommt – Erfolge fühlen sich kurz an, Misserfolge dafür umso belastender.
- Verlust an Motivation, gepaart mit Schuldgefühlen oder dem Gefühl, „versagt zu haben“.
Warum es wichtig ist, ernst zu nehmen
Emotionale Erschöpfung ist kein Zeichen von Schwäche – sondern ein Warnsignal (Oscarsson et al., 2022). Gerade bei ADHS ist sie ein häufiger Vorbote für:
- berufliche Überforderung,
- depressive Episoden,
- sozialem Rückzug oder Konflikten im Team,
- einem langfristigen Leistungsabfall trotz Bemühung.
Deshalb ist es entscheidend, rechtzeitig gegenzusteuern – etwa durch klare Grenzen, individuelle Arbeitsstrukturen, Unterstützung durch das Umfeld oder professionelle Hilfe (Oscarsson et al., 2022).
Anzeichen für emotionale Erschöpfung im Berufsalltag
Menschen mit ADHS neigen dazu, ihre Belastungsgrenzen lange zu ignorieren – oft aus einem starken inneren Leistungsdruck heraus oder weil sie gelernt haben, sich immer wieder zusammenzureißen. Doch diese dauerhafte Selbstüberforderung kann zu einer tiefgreifenden Erschöpfung führen, die nicht mehr einfach mit einem freien Wochenende oder ein paar Stunden Schlaf kompensiert werden kann (Oscarsson et al., 2022).
Emotionale Erschöpfung entwickelt sich meist schleichend. Was zunächst wie normale Müdigkeit wirkt, kann sich nach und nach zu einem Zustand entwickeln, der das gesamte Berufsleben – und darüber hinaus – beeinträchtigt. Es ist deshalb entscheidend, die ersten Warnsignale frühzeitig zu erkennen und ernst zu nehmen (Oscarsson et al., 2022).
Typische Anzeichen emotionaler Erschöpfung bei ADHS sind:
- Anhaltende geistige und körperliche Müdigkeit
Auch nach ausreichend Schlaf oder Erholung am Wochenende bleibt das Gefühl bestehen, „nicht richtig in Gang zu kommen“. Die gewohnte Energie fehlt – selbst für Aufgaben, die früher leicht von der Hand gingen (Oscarsson et al., 2022). - Reizbarkeit, Ungeduld und emotionale Überreaktionen
Schon kleine Störungen oder Konflikte im Arbeitsalltag führen zu starker innerer Anspannung oder Wutausbrüchen. Kritik wird schnell als persönliche Kränkung empfunden, was das Miteinander im Team belastet (Oscarsson et al., 2022). - Zunehmende Konzentrationsprobleme
Die Gedanken schweifen immer wieder ab, selbst bei wichtigen Aufgaben. Es fällt schwer, Prioritäten zu setzen, Ablenkungen auszublenden oder bei einer Sache zu bleiben – besonders bei Routinetätigkeiten (Oscarsson et al., 2022). - Gefühl innerer Leere oder fehlender Sinnhaftigkeit
Tätigkeiten, die früher motivierend oder erfüllend waren, wirken plötzlich bedeutungslos. Die emotionale Verbindung zur eigenen Arbeit reißt ab, und es stellt sich das Gefühl ein, „nur noch zu funktionieren“ (Oscarsson et al., 2022). - Häufige Krankheitstage und psychosomatische Beschwerden
Kopf- und Rückenschmerzen, Magenprobleme, Schlafstörungen oder Herzrasen können körperliche Signale dafür sein, dass die psychische Belastung zu groß wird. Oft treten sie schleichend auf und werden lange verdrängt (Oscarsson et al., 2022). - Rückzugstendenzen im sozialen Umfeld
Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen werden zunehmend vermieden, Teamsitzungen wirken anstrengend, soziale Interaktionen im Job kosten übermäßig viel Kraft. Das Bedürfnis, sich abzukapseln, wächst (Oscarsson et al., 2022). - Wachsende Selbstzweifel und Schuldgefühle
Betroffene beginnen, an ihrer beruflichen Kompetenz zu zweifeln. Sie hinterfragen sich ständig, entwickeln Perfektionismus oder das Gefühl, nie genug zu leisten – selbst wenn objektiv gute Ergebnisse vorliegen (Oscarsson et al., 2022).
Wer diese Signale ignoriert oder bagatellisiert, läuft Gefahr, in einen Teufelskreis zu geraten: Die Erschöpfung wächst, die Leistungsfähigkeit sinkt – und damit steigt der Druck, wieder „funktionieren zu müssen“. Ohne Gegenmaßnahmen kann dies in einen echten Burnout oder eine depressive Episode münden (Oscarsson et al., 2022).
Wichtig: Emotionale Erschöpfung ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist ein ernst zu nehmender Hinweis darauf, dass Körper und Psyche Hilfe brauchen – sei es durch mehr Selbstfürsorge, veränderte Arbeitsbedingungen oder professionelle Unterstützung (Oscarsson et al., 2022).
Warum ADHS die Erschöpfung im Beruf verstärken kann
Menschen mit ADHS verfügen oft über viel Kreativität, Energie und Innovationskraft – gleichzeitig bringt die neurologische Besonderheit eine Reihe an Herausforderungen mit sich, die im beruflichen Alltag schnell zur Überlastung führen können. Die Anforderungen in der Arbeitswelt – von ständiger Erreichbarkeit über enge Zeitpläne bis hin zu sozialer Anpassungsfähigkeit – treffen auf typische ADHS-Symptome und können dadurch zu einer besonders hohen psychischen Belastung führen (Erdal et al., 2025).
Im Folgenden zeigen wir, welche Mechanismen bei ADHS im Berufsalltag häufig zu Erschöpfung beitragen:
Dauerhafte Reizoffenheit
Das ADHS-Gehirn verarbeitet Reize anders. Es filtert Informationen nicht automatisch nach Relevanz, sondern lässt alles gleichzeitig durch – was zu ständiger Überstimulation führen kann (Erdal et al., 2025).
- Jede E-Mail, Push-Nachricht oder ein vorbeigehendes Gespräch im Büro lenkt ab.
- Auch Gedanken, Erinnerungen und spontane Einfälle drängen sich oft unkontrolliert in den Vordergrund.
- Das „innere Rauschen“ wird selten leiser – selbst in Pausen oder nach Feierabend fällt das Abschalten schwer.
- Reizoffenheit bedeutet auch: schneller gestresst, schneller überfordert – und oft länger belastet.
Diese permanente Reizverarbeitung zehrt an der Energie. Viele Betroffene beschreiben, dass sie abends völlig ausgelaugt sind – selbst wenn objektiv gar kein „stressiger Tag“ war (Erdal et al., 2025).
Selbstorganisation kostet überproportional viel Energie
Was für andere wie Routine wirkt, ist für Menschen mit ADHS oft ein mentaler Kraftakt:
- Aufgaben strukturieren und priorisieren fällt schwer.
- Deadlines werden schnell aus dem Blick verloren.
- Der Einstieg in Aufgaben verzögert sich häufig – was wiederum Zeitdruck und Stress verstärkt.
- Langfristige Projekte fühlen sich überwältigend an, weil der „rote Faden“ fehlt.
- Auch kleine Dinge wie das Sortieren von Dokumenten, Kalenderpflege oder E-Mail-Management können überfordern.
Selbstmanagement ist bei ADHS keine Selbstverständlichkeit – es ist tägliche Arbeit gegen das Chaos im Kopf. Diese permanente Anstrengung bleibt im Hintergrund oft unbemerkt, verbraucht aber enorm viel mentale Energie (Erdal et al., 2025).
Soziale Interaktionen als Belastungsfaktor
Kommunikation und zwischenmenschlicher Austausch gehören in vielen Berufen zum Alltag – für ADHS-Betroffene können genau diese Situationen besonders erschöpfend sein:
- Viele sind extrem sensibel gegenüber (vermeintlicher) Kritik und fühlen sich schnell verletzt.
- Gruppensituationen oder Meetings mit vielen Personen wirken überfordernd, auch durch die Vielzahl an Reizen.
- Spontane Gespräche erfordern schnelles Reagieren – was bei innerer Unruhe oder Aufmerksamkeitsproblemen schwierig ist.
- Rollenkonflikte, unausgesprochene Erwartungen und subtiler sozialer Druck werden oft intensiver wahrgenommen als bei neurotypischen Menschen.
- Nach einem Tag mit vielen sozialen Interaktionen fühlen sich viele regelrecht „leer“ – auch wenn objektiv nichts Schlimmes passiert ist.
Diese emotionale Belastung führt dazu, dass ADHS-Betroffene oft deutlich mehr Erholungszeit nach dem Arbeitstag brauchen – doch genau die fehlt im Alltag häufig (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
Perfektionismus oder Impulsivität – beides kann zur Erschöpfung beitragen
ADHS zeigt sich nicht bei allen Menschen gleich. Doch zwei typische Gegensätze treten im Berufsalltag besonders oft auf:
- Perfektionistisch geprägte ADHS-Betroffene verlieren sich in Details, können schwer loslassen und haben hohe Ansprüche an sich selbst (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
- Sie arbeiten oft länger als nötig, überarbeiten Aufgaben immer wieder und geraten dadurch in Zeitnot.
- Das ständige Gefühl, „nicht gut genug“ zu sein, erhöht den inneren Druck zusätzlich.
- Impulsiv geprägte ADHS-Betroffene handeln oft vorschnell, wechseln zwischen Aufgaben oder treffen unüberlegte Entscheidungen (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
- Sie geraten häufiger in Konflikte, machen Flüchtigkeitsfehler oder wirken auf Kolleginnen und Kollegen unzuverlässig.
- Diese Erfahrungen führen zu Frust, Selbstzweifeln und innerem Rückzug.
Ob extremes Kontrollbedürfnis oder mangelnde Impulskontrolle – beide Varianten können im Arbeitsalltag zu chronischem Stress und langfristiger emotionaler Erschöpfung führen (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
Berufliche Rahmenbedingungen, die ADHS verschärfen
Nicht jede berufliche Umgebung ist für jede Persönlichkeit gleich geeignet. Für Menschen mit ADHS können bestimmte Arbeitsbedingungen besonders belastend wirken – weil sie typische Symptome wie Reizoffenheit, Impulsivität oder Strukturprobleme verstärken. Das Resultat: erhöhte Anspannung, reduzierte Leistungsfähigkeit und auf Dauer emotionale Erschöpfung (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
Typische Stressverstärker im Beruf
Ein ungünstiges Arbeitsumfeld kann die Belastung für ADHS-Betroffene massiv steigern. Besonders folgende Faktoren gelten als kritisch:
- Großraumbüros und offene Arbeitsplätze:
Ständige Geräusche, Gespräche im Hintergrund oder visuelle Reize stören die Konzentration. Viele ADHS-Betroffene fühlen sich hier dauerhaft abgelenkt und überfordert (Porto, Murgo & de Souza, 2024). - Monotone oder repetitive Aufgaben:
Tätigkeiten mit wenig Abwechslung, klarer Routine oder hohem Detailgrad können schnell langweilen. Das führt zu Unruhe, Prokrastination und innerem Widerstand (Porto, Murgo & de Souza, 2024). - Starre Strukturen und fehlender Gestaltungsspielraum:
Wenn Arbeitsprozesse strikt vorgegeben sind, fühlen sich viele Betroffene eingeengt. Kreativität und Eigeninitiative bleiben auf der Strecke – die Motivation sinkt (Porto, Murgo & de Souza, 2024). - Hierarchische und autoritäre Führungskultur:
ADHS-Betroffene haben häufig Mühe mit starren Autoritätsverhältnissen. Kontrolle und Mikromanagement führen oft zu Frust, Widerstand oder innerem Rückzug (Porto, Murgo & de Souza, 2024). - Unklare Kommunikation und wechselnde Anforderungen:
Unpräzise Aufgabenstellungen, häufige Richtungswechsel oder unausgesprochene Erwartungen bringen ADHS-Menschen schnell aus dem Tritt. Strukturverlust kann in Überforderung und Fehlern enden (Porto, Murgo & de Souza, 2024). - Fehlende Pausen- oder Rückzugsmöglichkeiten:
Ohne die Möglichkeit, sich zwischendurch zurückzuziehen oder innerlich zu regulieren, steigt die Reizüberflutung im Laufe des Arbeitstages stetig an (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
Emotionale Erschöpfung entsteht oft, wenn …
Die Arbeitsumgebung hat nicht nur Einfluss auf die Leistung – sie wirkt sich auch unmittelbar auf das emotionale Gleichgewicht aus (Holden et al., 2025). Besonders kritisch wird es, wenn Betroffene über längere Zeit gegen ihre eigene Natur arbeiten müssen:
- Ständige Selbstkontrolle notwendig ist:
Wenn man sich ständig zusammenreißen, kontrollieren und anpassen muss, kostet das enorme Energie. Langfristig führt das zu mentaler Erschöpfung (Holden et al., 2025). - Die eigenen Stärken nicht erkannt oder genutzt werden:
Wer ständig auf seine Schwächen reduziert wird, verliert Motivation und Selbstwert. Die innere Frustration wächst, während das Engagement sinkt (Holden et al., 2025). - Man sich im Team oder im Unternehmen nicht zugehörig fühlt:
Fehlende Akzeptanz, Ausgrenzung oder ständiger Rechtfertigungsdruck führen dazu, dass sich viele ADHS-Betroffene unverstanden und isoliert fühlen (Holden et al., 2025). - Man dauerhaft das Gefühl hat, nicht zu genügen:
Auch wenn objektiv viel geleistet wird, bleibt oft das Gefühl zurück, den Erwartungen nicht gerecht zu werden. Diese innere Spannung macht auf Dauer krank (Holden et al., 2025).
Strategien gegen emotionale Erschöpfung bei ADHS
Die gute Nachricht: Auch wenn ADHS den Berufsalltag herausfordernd macht, gibt es zahlreiche bewährte Strategien, um emotional stabil und leistungsfähig zu bleiben. Entscheidend ist, individuell passende Methoden zu finden – und sie konsequent in den eigenen Arbeitsalltag zu integrieren. Wichtig ist auch: Prävention beginnt nicht erst im Burnout, sondern schon in alltäglichen Routinen (Holden et al., 2025).
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Den Arbeitsplatz passend gestalten
Ein strukturierter, reizreduzierter Arbeitsplatz ist für viele ADHS-Betroffene der Schlüssel zu mehr Konzentration und innerer Ruhe (Holden et al., 2025).
Hilfreich sind:
- Rückzugsmöglichkeiten schaffen: Einzelbüros, Homeoffice-Tage oder flexible Arbeitsplätze bieten Raum zur Konzentration. Wenn das nicht möglich ist, helfen Noise-Cancelling-Kopfhörer oder Trennwände.
- Ablenkungen aktiv reduzieren: Handy stumm schalten, Push-Benachrichtigungen deaktivieren, Browser-Tabs begrenzen – auch kleine Veränderungen können spürbar entlasten.
- Fokuszeiten etablieren: Blocke bewusst Zeiten im Kalender, in denen du konzentriert und ungestört arbeiten kannst – ohne Meetings oder Anrufe.
- Hilfsmittel gezielt einsetzen: Digitale Tools wie Kalender-Apps, Reminder, Task-Manager oder analoge Methoden wie Whiteboards, Notizzettel und Post-its können helfen, den Überblick zu behalten.
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Pausen und Erholung ernst nehmen
Wer ständig „funktioniert“, gerät schnell in die Überlastung. Deshalb gilt: Pausen sind kein Luxus, sondern notwendig – gerade bei ADHS (Holden et al., 2025).
Achte auf folgende Punkte:
- Pausen regelmäßig einplanen: Auch wenn du im Flow bist – kurze Erholungsphasen helfen, mentale Ressourcen aufzufrischen. Ideal: alle 90 Minuten eine kurze Pause, mindestens 30 Minuten Mittagspause.
- Bewegung integrieren: Kleine Spaziergänge, Dehnübungen oder ein paar Treppenstufen zwischendurch helfen, Anspannung abzubauen.
- Arbeitsende bewusst gestalten: Der Übergang in den Feierabend sollte klar spürbar sein. Rituale wie ein kurzer Spaziergang, Musik oder Sport helfen beim mentalen Abschalten.
- Erholung am Abend priorisieren: Bildschirmfreie Zeiten, Hobbys oder ruhige Routinen helfen, den Akku aufzuladen – und den Tag mit weniger Reizüberflutung ausklingen zu lassen.
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Die eigene Arbeitsweise reflektieren
ADHS-Betroffene arbeiten oft entweder zu spontan oder zu perfektionistisch. Beides kann in Erschöpfung münden (Kooij et al., 2025). Deshalb: bewusst gegensteuern.
Praktische Tipps:
- Realistische Zeitfenster setzen: Plane für jede Aufgabe bewusst mehr Zeit ein, als du denkst. So reduzierst du Stress und schaffst Puffer für Unvorhergesehenes.
- Prioritäten setzen: Nicht alles muss sofort erledigt werden. Unterscheide klar zwischen „wichtig“ und „dringend“ – und plane entsprechend.
- To-do-Listen vereinfachen: Maximal drei bis fünf Aufgaben pro Tag helfen, fokussiert zu bleiben. Lange Listen überfordern und blockieren.
- Frühzeitig um Hilfe bitten: Wenn du merkst, dass du anstehst, hol dir Unterstützung. Das verhindert Eskalation – und spart Energie.
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Kommunikation und Unterstützung stärken
ADHS ist unsichtbar – und wird deshalb im Berufsalltag oft missverstanden. Umso wichtiger ist eine klare, reflektierte Kommunikation (Kooij et al., 2025).
Was helfen kann:
- Aktiv Rückmeldung einholen: Frage regelmäßig nach Feedback – nicht nur zu deiner Arbeit, sondern auch zu Zusammenarbeit und Kommunikation.
- Missverständnisse ansprechen: Wenn es zu Konflikten kommt, versuche frühzeitig, sie in einem ruhigen Rahmen zu klären.
- Offenheit mit Bedacht: Ob und wie du mit deiner Diagnose umgehst, hängt vom Umfeld ab. In einem vertrauensvollen Rahmen kann Offenheit entlastend wirken.
- Coaching oder Therapie nutzen: Ein begleitendes ADHS-Coaching oder eine Psychotherapie kann helfen, den eigenen Umgang mit beruflichem Stress gezielt zu verbessern.
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Den eigenen Berufsweg hinterfragen
Manchmal liegt die Ursache für emotionale Erschöpfung weniger im „Wie“, sondern im „Was“. Wenn der Beruf dauerhaft nicht zur Persönlichkeit passt, wird jede Strategie zum Pflaster (Kooij et al., 2025).
Stelle dir regelmässig diese Fragen:
- Passe ich (noch) zu meinem Job?
Wenn du dauerhaft gegen deine eigenen Stärken arbeitest, kostet das Energie. Manchmal ist ein beruflicher Wechsel eine Chance, nicht ein Scheitern. - Kann ich meine Potenziale entfalten?
Kreativität, Neugier oder Schnelligkeit sind typische ADHS-Stärken. Bekommen sie in deinem Arbeitsumfeld Raum – oder werden sie blockiert? - Gibt es Branchen oder Tätigkeiten, die besser zu mir passen?
Berufe mit hoher Eigenverantwortung, Bewegung, Abwechslung oder Kreativität sind oft ideal. Vielleicht lohnt es sich, neue Möglichkeiten auszuloten. - Wäre Selbstständigkeit eine Option – oder überfordert sie mich eher?
Auch hier gilt: realistische Einschätzung ist zentral. Manche blühen in der Selbstständigkeit auf, andere scheitern an den administrativen Anforderungen.
Fazit: ADHS & Beruf – mit Klarheit und Selbstfürsorge zu mehr Energie
ADHS im Berufsalltag kann zur emotionalen Erschöpfung führen – vor allem, wenn man sich ständig überfordert oder fehl am Platz fühlt. Wichtig ist, die Signale ernst zu nehmen, eigene Stärken zu erkennen und Bedingungen zu schaffen, die zur eigenen Persönlichkeit passen.
Wer sich rechtzeitig Unterstützung holt, Strukturen schafft und seinen beruflichen Weg bewusst gestaltet, kann auch mit ADHS gesund, zufrieden und leistungsfähig arbeiten.