Eine Eliminationsdiät ist ein gezielter diagnostisch-therapeutischer Ansatz, bei dem bestimmte Lebensmittel aus dem Speiseplan entfernt werden, um potenzielle Auslöser von ADHS-Symptomen zu identifizieren. Die Idee dahinter: Manche Nahrungsmittel oder -bestandteile können Unruhe, Konzentrationsprobleme oder Impulsivität verstärken (Pelsser et al., 2011). Die Diät gliedert sich typischerweise in zwei klar strukturierte Phasen:
Phase 1: Auslassphase
- Dauer: meist 2–4 Wochen
- Ziel: Ausschluss potenziell problematischer Lebensmittel (z. B. künstliche Zusatzstoffe, Gluten, Milchprodukte)
- Ernährung: Nur wenige, als besonders verträglich geltende Nahrungsmittel wie Reis, Kartoffeln, bestimmte Gemüse- und Fleischsorten
Phase 2: Wiedereinführungsphase
- Ablauf: Schrittweise Wiederaufnahme einzelner Lebensmittel (alle 3–7 Tage eines)
- Beobachtung: Dokumentation von Verhaltensänderungen und körperlichen Reaktionen
- Hilfsmittel: Ernährungstagebuch, Verhaltenserhebungsbögen, ggf. schulische Einschätzungen
Am Ende steht eine individuell angepasste Ernährung, bei der nur solche Lebensmittel dauerhaft gemieden werden, die nachweislich Symptome verschlechtern. So lassen sich Einschränkungen gezielt und effektiv umsetzen (Pelsser et al., 2011).
Vorteile einer Eliminationsdiät:
- Erkennung individueller Unverträglichkeiten
- Symptomverbesserung ohne Medikamente
- Bessere Lebensqualität durch gezielte Ernährung
- Reduktion unnötiger Verbote bei gut verträglichen Lebensmitteln
Wichtig: Eine Eliminationsdiät sollte immer durch Fachpersonen begleitet werden, z. B. Ärzt:innen oder Ernährungstherapeuten, um Mangelernährung und Fehleinschätzungen zu vermeiden (Sonuga-Barke et al., 2013).
Modell 1: Oligoantigene Diät
Beschreibung
Die oligoantigene Diät, auch Few-Foods-Diet genannt, ist die am besten erforschte Form der Eliminationsdiät bei ADHS. Ziel ist es, durch eine stark eingeschränkte Auswahl besonders verträglicher Lebensmittel herauszufinden, welche Nahrungsmittel ADHS-Symptome verschlimmern (Sonuga-Barke et al., 2013).
Ablauf
- Strenge Auslassphase (ca. 4 Wochen):
- Nur hypoallergene Lebensmittel erlaubt: z. B. Reis, Kartoffeln, Lamm, Zucchini, Brokkoli
- Flüssigkeitszufuhr über Wasser und milde Öle
- Wiedereinführung:
- Alle 3–7 Tage ein neues Lebensmittel
- Dokumentation von Symptomen im Ernährungstagebuch
- Bei Auffälligkeiten: Lebensmittel wieder streichen
Vorteile
- Hoher Grad an Individualisierung (Sonuga-Barke et al., 2013)
- Studien zeigen bei bis zu 60 % der Kinder eine deutliche Symptomverbesserung (Sonuga-Barke et al., 2013)
- Möglichkeit zur gezielten Aufdeckung versteckter Unverträglichkeiten (Sonuga-Barke et al., 2013)
- Langfristig positive Auswirkungen auf Verhalten und Wohlbefinden (Sonuga-Barke et al., 2013)
Nachteile
- Sehr zeitintensiv, oft mehrere Monate nötig
- Hohe Anforderungen an Dokumentation und Durchhaltevermögen
- Stark eingeschränkte Lebensmittelauswahl zu Beginn
- Fachliche Begleitung zwingend notwendig
Hinweis: Ideal für Familien, die motiviert sind und alternative oder ergänzende Wege zur medikamentösen Therapie suchen (Sonuga-Barke et al., 2013).
Modell 2: Eliminationsdiät von Zusatzstoffen
Beschreibung
Hierbei werden gezielt Lebensmittel mit künstlichen Zusatzstoffen wie Farb-, Konservierungs- oder Aromastoffen vermieden. Der Fokus liegt auf sogenannten Azo-Farbstoffen und Stoffen wie Natriumbenzoat, die im Verdacht stehen, hyperaktives Verhalten zu verstärken (Nigg et al., 2012).
Auszuschließende Inhaltsstoffe:
- Künstliche Farbstoffe: E102, E104, E110, E122, E124, E129
- Konservierungsstoffe: Natriumbenzoat (E211)
- Künstliche Süßstoffe: Aspartam, Saccharin
- Nicht-natürliche Aromastoffe & Geschmacksverstärker
Tipp: Beim Einkauf auf die Zutatenliste achten, je kürzer, desto besser. Faustregel: Keine Produkte mit mehr als fünf Zusatzstoffen oder schwer aussprechbaren Zutaten (Nigg et al., 2012).
Vorteile
- Einfacher Einstieg ohne aufwendige Vorbereitungen
- In der EU gute Kennzeichnungspflicht, hohe Transparenz
- Erste Effekte oft rasch sichtbar
- Besonders hilfreich bei bekannter Zusatzstoff-Sensitivität
Nachteile
- Nicht alle Kinder mit ADHS reagieren auf Zusatzstoffe
- Uneinheitliche Studienlage
- Kein diagnostischer Erkenntnisgewinn über individuelle Unverträglichkeiten
- Eher geeignet für milde Ausprägungen oder zur ersten Orientierung
Hinweis: Guter Ausgangspunkt für Eltern, die eine einfach umsetzbare Diät ausprobieren möchten, bevor komplexere Modelle getestet werden (McCann et al., 2007).
Modell 3: Zuckerarme Ernährung
Beschreibung
Die zuckerarme Ernährung basiert auf der Annahme, dass hoher Zuckerkonsum ADHS-Symptome wie Reizbarkeit und Konzentrationsprobleme verstärken kann. Besonders süße Getränke stehen im Fokus dieser Diät (McCann et al., 2007).
Empfehlungen für den Alltag
- Verzicht auf gezuckerte Getränke: Cola, Limonaden, Fruchtsaftgetränke, Eistee (Schab & Trinh, 2004)
- Süßigkeiten nur in kleinen Mengen: Bonbons, Schokolade, Fruchtgummis (Schab & Trinh, 2004)
- Vermeidung stark verarbeiteter Produkte: Viele Fertigprodukte enthalten versteckten Zucker (Rytter et al., 2015)
- Komplexe Kohlenhydrate bevorzugen: Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, ballaststoffreiche Beilagen (Rytter et al., 2015)
- Regelmäßige Mahlzeiten: 3 Haupt- und 1–2 Zwischenmahlzeiten helfen, Blutzuckerschwankungen zu vermeiden (Huberts-Bosch et al., 2024)
Vorteile
- Allgemein gesundheitsförderlich: Positive Effekte auf Gewicht, Zähne und Energiehaushalt
- Niedrige Einstiegshürde: Gut in den Familienalltag integrierbar
- Nachhaltige Veränderung des Essverhaltens möglich
- Erste Studien zeigen Verbesserungen bei hohem Zuckerkonsum
Nachteile
- Keine eindeutige wissenschaftliche Evidenz für ADHS-spezifische Wirkung
- Individuelle Unterschiede, nicht jedes Kind reagiert
- Kein diagnostischer Mehrwert hinsichtlich spezifischer Unverträglichkeiten
Hinweis: Besonders geeignet als Einstieg in eine bewusste, gesündere Ernährung, unabhängig von einer ADHS-Diagnose (Schab & Trinh, 2004).
Fazit: Welche Diät ist die richtige?
Eliminationsdiäten bieten für bestimmte Kinder mit ADHS eine vielversprechende Möglichkeit zur Reduktion der Symptome. Die Wahl des Modells hängt stark von der individuellen Situation, der Belastbarkeit der Familie und der Zielsetzung ab:
- Oligoantigene Diät: wissenschaftlich am besten belegt, aber aufwendig
- Zusatzstoff-Diät: einfach umsetzbar, aber begrenzt wirksam
- Zuckerarme Ernährung: gesundheitlich sinnvoll, aber mit unklarem Effekt auf ADHS
Empfehlung:
- Fachliche Begleitung durch Ernährungsberatung oder Ärzt:innen ist essenziell
- Geduld und konsequente Durchführung sind entscheidend für den Erfolg
- Keine Diät sollte ohne fundierte Beratung begonnen werden
Eine individuell abgestimmte Ernährung kann bei ADHS zwar keine Wunder bewirken, aber für viele Familien eine wertvolle Ergänzung zur Therapie darstellen, und langfristig zu einem gesünderen Lebensstil beitragen.