ADHS, Burnout und Depression: drei Begriffe, die in Gesprächen über psychische Gesundheit immer wieder auftauchen. Oft werden sie in einem Atemzug genannt, manchmal sogar verwechselt. Kein Wunder, denn viele der Symptome überschneiden sich: Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Konzentrationsprobleme oder emotionale Überforderung. Doch obwohl sich die Beschwerden ähneln können, handelt es sich um drei grundlegend unterschiedliche Störungsbilder, mit jeweils eigenen Ursachen, Verläufen und Therapien (Chan, Teo & Chua, 2023).
Gerade bei Erwachsenen fällt die Unterscheidung oft schwer. Denn:
- ADHS ist mehr als nur „Zappelphilipp-Verhalten“, es betrifft auch Organisation, Impulskontrolle und Reizverarbeitung (Chan, Teo & Chua, 2023).
- Burnout ist kein spontaner Zustand, sondern das Ergebnis chronischer Überlastung, meist über viele Monate oder Jahre (Chan, Teo & Chua, 2023).
- Depressionen sind komplexe Störungen, die nicht nur die Stimmung, sondern auch den Antrieb, das Denken und den Körper betreffen (Chan, Teo & Chua, 2023).
Warum ist die Unterscheidung so wichtig?
Weil jede dieser Belastungen einen anderen therapeutischen Ansatz braucht. Wer eine Depression mit Burnout-Strategien behandelt oder ADHS als Erschöpfung missdeutet, verliert wertvolle Zeit – und riskiert eine Verschlimmerung der Beschwerden (Chan, Teo & Chua, 2023).
In diesem Artikel erfährst du:
- Was genau hinter ADHS, Burnout und Depression steckt
- Welche Symptome sich überschneiden, und welche einzigartig sind
- Wie du die drei Zustände im Alltag voneinander unterscheiden kannst
- Wann professionelle Hilfe nötig ist, und welche Therapieansätze sinnvoll sind
Unser Ziel: Klarheit schaffen, Fehleinschätzungen vermeiden und dir helfen, die eigenen Signale besser einzuordnen.
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Unterschied in der Ursache: Neurobiologie, Überforderung oder Stimmungseinbruch?
Ob ADHS, Burnout oder Depression, sie alle haben unterschiedliche Entstehungshintergründe, die entscheidend für Diagnose und Behandlung sind. Wer die Ursachen kennt, versteht auch
besser, warum bestimmte Therapieformen wirken, und andere nicht (Chan, Teo & Chua, 2023).
ADHS: Neurobiologisch bedingte Störung
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) gehört zu den neurobiologischen Entwicklungsstörungen. Das bedeutet: Die Grundlage für ADHS liegt in der Funktionsweise des Gehirns, insbesondere im Dopaminhaushalt und in der Reizverarbeitung (Chan, Teo & Chua, 2023).
Typische Merkmale:
- Die Symptome beginnen bereits in der Kindheit.
- Es handelt sich um eine vererbte Disposition, also eine genetische Veranlagung.
- Im Gehirn sind insbesondere Areale betroffen, die für Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Selbstregulation zuständig sind.
- Reize werden schlechter gefiltert, Betroffene erleben die Welt oft als zu laut, zu viel, zu schnell.
ADHS ist keine Reaktion auf Stress oder belastende Ereignisse, sondern eine dauerhafte Störung der neuronalen Informationsverarbeitung (Chan, Teo & Chua, 2023).
Burnout: Folge chronischer Überlastung
Burnout ist kein medizinisch klar abgegrenztes Krankheitsbild, sondern ein komplexer Erschöpfungszustand, der sich über längere Zeit entwickelt. Die Ursache liegt meist in einem dauerhaften Ungleichgewicht zwischen Anforderung und Erholung, beruflich, familiär oder emotional (Chan, Teo & Chua, 2023).
Typische Auslöser:
- Übermäßiges Engagement ohne ausreichende Anerkennung
- Dauerhafte Überforderung im Job, Studium oder in der Pflege Angehöriger
- Perfektionismus und das Gefühl, nicht „Nein“ sagen zu dürfen
- Fehlende soziale Unterstützung oder Wertschätzung
Burnout ist nicht angeboren, sondern entsteht durch äußere Belastungsfaktoren, auf die der Körper und die Psyche irgendwann mit einem Zusammenbruch der Leistungsfähigkeit reagieren (Chan, Teo & Chua, 2023).
Depression: Vielschichtige Ursachen mit innerer Dynamik
Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen, und können viele verschiedene Ursachen haben. Sie sind meist nicht an einen konkreten Auslöser gebunden und treten häufig „aus dem Nichts“ auf (Chan, Teo & Chua, 2023).
Mögliche Ursachen:
- Genetische Veranlagung: Eine familiäre Häufung erhöht das Risiko.
- Biologische Faktoren: Veränderungen im Serotonin- und Noradrenalin-Stoffwechsel.
- Psychosoziale Belastungen: Trennungen, Verluste, traumatische Erlebnisse.
- Chronische Erkrankungen: z. B. Schmerzen, Schilddrüsenerkrankungen, ADHS.
- Jahreszeitlich bedingte Einflüsse (z. B. Winterdepression)
Eine Depression ist keine Reaktion auf Stress allein, sondern ein tiefgreifender Stimmungszustand, der oft den ganzen Alltag lähmt, selbst wenn es objektiv „keinen Grund“ gibt (Chan, Teo & Chua, 2023).
Merke:
| Zustand | Hauptursache | Beginn |
| ADHS | Neurobiologische Entwicklungsstörung | meist in der Kindheit |
| Burnout | Chronische Überlastung & Erschöpfung | schleichend, über Monate |
| Depression | Vielfältige Auslöser, auch endogen | plötzlich oder schleichend |
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Typische Symptome im Vergleich
Die Symptome von ADHS, Burnout und Depression überschneiden sich in vielen Bereichen, besonders, wenn Betroffene unter chronischem Stress leiden oder sich bereits in einer psychischen Erschöpfung befinden. Trotzdem gibt es wichtige Unterschiede, die bei der Diagnose und Behandlung eine zentrale Rolle spielen (Chan, Teo & Chua, 2023).
Vergleichstabelle der häufigsten Symptome
| Symptom | ADHS | Burnout | Depression |
| Konzentrationsprobleme | Sehr häufig, meist seit Kindheit vorhanden | Eher durch Erschöpfung und Reizüberflutung bedingt | Möglich, aber oft mit Gedankenkreisen und Grübeln verbunden |
| Antriebslosigkeit | Situativ, oft bei Reizüberflutung oder Misserfolgen | Starke Erschöpfung, kaum Motivation trotz Aufgaben | Sehr stark ausgeprägt, selbst alltägliche Tätigkeiten fallen schwer |
| Stimmungsschwankungen | Häufig, aber meist kurzfristig und situationsbedingt | Frustration, Gereiztheit, innere Unruhe | Anhaltende Traurigkeit, Gefühl von Leere und Hoffnungslosigkeit |
| Schlafprobleme | Einschlafstörungen, Grübelneigung, unruhiger Schlaf | Durchschlafprobleme, frühes Erwachen | Häufig, oft mit frühem Erwachen und Grübeln am Morgen |
| Selbstwertprobleme | Situativ, oft durch Kritik oder Misserfolg ausgelöst | Gefühl, den eigenen Ansprüchen nicht zu genügen | Tiefer Selbstwert, starke Schuldgefühle |
| Energielevel | Sprunghaft, häufig zwischen Überaktivität und Erschöpfung | Anhaltend niedrig, Gefühl des Ausgebranntseins | Stark reduziert, kaum Energie für soziale Kontakte oder Alltag |
| Reizbarkeit | Impulsiv, oft aus innerer Anspannung heraus | Gereiztheit durch Überlastung, häufig auch körperlich spürbar | Innere Anspannung, oft verbunden mit Rückzug und sozialer Isolation |
Ergänzende Hinweise zu einzelnen Symptombereichen
Konzentrationsprobleme
Bei ADHS sind Aufmerksamkeitsprobleme meist dauerhaft und situationsübergreifend vorhanden, unabhängig vom Stresslevel. Im Gegensatz dazu treten sie bei Burnout oder Depression oft erst im Verlauf auf, wenn die geistige Erschöpfung zunimmt (Oscarsson et al., 2022).
Antrieb und Motivation
Menschen mit ADHS haben meist viele Ideen und Pläne, aber Schwierigkeiten in der Umsetzung. Bei Burnout fehlt die Kraft, bei Depression sogar das Interesse. Der Unterschied liegt also nicht nur im Antrieb, sondern auch im inneren Bezug zur Aufgabe (Oscarsson et al., 2022).
Stimmung und Emotionalität
Während ADHS mit impulsiven Reaktionen und Stimmungsschwankungen einhergeht, ist Burnout eher durch gereizte, spannungsgeladene Zustände gekennzeichnet. Depression hingegen äußert sich oft durch anhaltende Niedergeschlagenheit und emotionales „Abflachen“ (Oscarsson et al., 2022).
Schlafverhalten
Alle drei Zustände können Schlafprobleme mit sich bringen, jedoch mit unterschiedlichen Ausprägungen:
- ADHS: Einschlafprobleme, weil der Kopf „nicht abschaltet“
- Burnout: Häufige nächtliche Wachphasen, frühes Aufwachen mit Grübeln
- Depression: Frühes Erwachen mit schwerem Gefühl oder anhaltender Schlafdrang
Selbstwert und Selbstbild
Menschen mit ADHS haben oft ein instabiles Selbstwertgefühl, besonders wenn sie viele Misserfolge erleben. Beim Burnout entsteht das Gefühl des Versagens trotz ständiger Anstrengung. In der Depression ist das Selbstbild meist grundlegend negativ geprägt, begleitet von Schuldgefühlen und Minderwertigkeit (Oscarsson et al., 2022).
Reizbarkeit
Die Reizbarkeit bei ADHS ist oft impulsiv und plötzlich, bei Burnout eher ein Zeichen von chronischer Überforderung. Bei Depression wirkt sie eher leise, unterschwellig oder in Form von sozialem Rückzug (Oscarsson et al., 2022).
Orientierung für die Praxis
Wenn du mehrere Symptome bei dir oder anderen beobachtest, frage dich:
- Bestehen die Symptome schon seit früher Kindheit, oder sind sie neu entstanden?
- Treten sie in allen Lebensbereichen auf, oder nur in bestimmten Kontexten (z. B. Arbeit)?
- Gehen sie mit einem Gefühl von innerem Druck, Leere oder Selbstzweifel einher?
Die Antworten darauf helfen oft, erste Hinweise auf die richtige Richtung zu bekommen. Trotzdem gilt: Eine fachärztliche Abklärung ist bei anhaltenden Symptomen immer ratsam, gerade weil ADHS, Burnout und Depression sich teilweise überlagern und kombinieren können (Oscarsson et al., 2022).
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Verlauf & Entwicklung: Früher Beginn vs. schleichender Prozess
Neben den typischen Symptomen unterscheiden sich ADHS, Burnout und Depression auch deutlich in ihrem zeitlichen Verlauf und der Art ihrer Entwicklung. Wer die Dynamik hinter der jeweiligen Störung versteht, kann erste Hinweise auf die richtige Diagnose erhalten, oder erkennen, dass möglicherweise mehrere Störungen gleichzeitig vorliegen (Oscarsson et al., 2022).
ADHS: Frühbeginn mit lebenslangem Verlauf
- Beginn in der Kindheit oder Jugend: Die ersten Symptome zeigen sich meist bereits im Kindergarten- oder Grundschulalter. Dazu zählen Unaufmerksamkeit, Impulsivität oder eine übersteigerte motorische Aktivität.
- Lebenslange Ausprägung: ADHS verschwindet nicht einfach mit dem Erwachsenwerden. Vielmehr verändern sich die Symptome. Hyperaktivität kann etwa innerer Unruhe weichen, während Organisationsprobleme, Konzentrationsmängel oder emotionale Reizbarkeit bestehen bleiben.
- Typischer Verlauf ohne Behandlung:
- Schulprobleme, häufige Kritik durch Lehrpersonen
- Schwierigkeiten in Ausbildung oder Beruf
- Häufige Konflikte in Beziehungen
- Erhöhtes Risiko für sekundäre Störungen wie Depression, Ängste oder Sucht
- Auffällig: ADHS zeigt sich in vielen Lebensbereichen, also nicht nur im Beruf oder in Phasen hoher Belastung, sondern auch im Alltag, in der Freizeit und in sozialen Beziehungen (Oscarsson et al., 2022).
Burnout: Schleichender Abstieg in die Erschöpfung
- Langsame Entwicklung über Monate oder Jahre: Burnout beginnt oft mit übermäßigem Einsatz. Wer „immer alles geben will“, überhört erste Warnzeichen, bis nichts mehr geht.
- Typischer Verlauf:
- Anfangs: Überengagement, Perfektionismus, Vernachlässigung eigener Bedürfnisse
- Mittelfristig: Erschöpfung, Zynismus, Schlafprobleme, körperliche Beschwerden
- Spätphase: Emotionale Abstumpfung, Rückzug, Sinnverlust, Arbeitsunfähigkeit
- Besonderheit: Burnout ist meist an einen bestimmten Lebensbereich gebunden, oft den Beruf. In anderen Bereichen (Freizeit, Familie) kann die Person anfangs noch funktionieren.
- Verkanntes Risiko: Gerade leistungsstarke Menschen mit hoher Motivation übersehen die Anzeichen lange. Der Prozess ist schleichend – viele bemerken erst sehr spät, wie erschöpft sie sind (Oscarsson et al., 2022).
Depression: Vielschichtig, schleichend oder abrupt
- Individuell verschieden: Depressionen können sich langsam über Wochen und Monate entwickeln oder ganz plötzlich auftreten, etwa nach einem belastenden Lebensereignis wie Verlust, Krankheit oder Trennung.
- Verlauf kann wellenartig sein: Viele Betroffene erleben Phasen mit besserem Befinden, gefolgt von Rückschlägen. Ohne Behandlung besteht das Risiko für eine chronische Entwicklung.
- Häufige Auslöser:
- Andauernde emotionale Belastung oder Überforderung
- Konflikte im sozialen Umfeld
- Körperliche Erkrankungen
- Hormonelle Veränderungen
- Auffällig: Im Gegensatz zu ADHS oder Burnout betrifft Depression meist alle Lebensbereiche gleichzeitig. Auch Dinge, die früher Freude gemacht haben, erscheinen sinnlos oder anstrengend (Oscarsson et al., 2022).
Typischer Unterschied im Erleben
- Bei ADHS dominiert häufig das Gefühl von innerer Unruhe, Überforderung und Reizüberflutung, besonders in strukturierten Kontexten wie Schule oder Büro (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
- Bei Burnout steht die totale Erschöpfung im Vordergrund, mit dem Gefühl, trotz aller Anstrengung nie genug zu leisten (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
- Bei Depression erleben Betroffene oft eine tiefe innere Leere, Hoffnungslosigkeit und einen Verlust an Sinn, selbst bei Dingen, die früher Freude gemacht haben (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
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Emotionale Unterschiede: Impulsiv, erschöpft oder leer?
Die emotionale Erlebniswelt spielt eine zentrale Rolle in der Abgrenzung zwischen ADHS, Burnout und Depression. Zwar können sich einzelne Gefühle überschneiden, doch es gibt typische emotionale Muster, die auf eine der drei Störungen hinweisen können. Wichtig ist, wie intensiv, wie dauerhaft und in welchen Situationen die Gefühle auftreten (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
ADHS: Emotionale Reizbarkeit und innere Unruhe
Menschen mit ADHS erleben ihre Gefühle oft intensiver als andere. Ihre Emotionen sind schwer zu regulieren, was zu plötzlichen Stimmungsschwankungen führen kann. Das bedeutet: Schon kleine Auslöser können Wut, Frust oder Euphorie auslösen (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
Typische emotionale Merkmale bei ADHS:
- Schnelle Reizbarkeit, z. B. bei Kritik oder Unterbrechungen
- Impulsive Wutausbrüche, oft gefolgt von Schuldgefühlen
- Stimmungshochs und -tiefs im schnellen Wechsel (aber nicht anhaltend depressiv)
- Frusttoleranz ist gering, selbst bei kleinen Rückschlägen
- Häufig Gefühl der Überforderung und „zu viel im Kopf“
- Gleichzeitig aber auch hohe emotionale Energie – etwa bei Begeisterung oder kreativen Ideen
Die emotionale Unruhe bei ADHS ist häufig situationsbezogen und klingt schnell wieder ab. Die Gefühle kommen abrupt, aber sie gehen auch schnell wieder (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
Burnout: Emotionale Erschöpfung und Zynismus
Beim Burnout liegt das Hauptproblem in der emotionalen Erschöpfung. Betroffene fühlen sich innerlich leer, gleichgültig und distanziert, nicht nur zu sich selbst, sondern auch zu anderen (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
Typisch sind:
- Innere Leere und das Gefühl, „ausgebrannt“ zu sein
- Zunehmender Rückzug aus sozialen Kontakten
- Zynismus und Gleichgültigkeit, besonders gegenüber der Arbeit oder anderen Verpflichtungen
- Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben, bei gleichzeitigem Pflichtgefühl
- Emotionale Taubheit, oft kombiniert mit körperlicher Anspannung oder Schlaflosigkeit
Das emotionale Erleben beim Burnout ist oft schleichend und wird von den Betroffenen zunächst nicht als problematisch wahrgenommen, bis irgendwann „nichts mehr geht“ (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
Depression: Tiefe Traurigkeit und Gefühllosigkeit
Depressionen betreffen das emotionale Empfinden grundlegend. Gefühle wirken nicht nur verändert, sondern wie abgeschnitten. Betroffene sprechen oft von einer „emotionalen Numbness“, also dem Gefühl, gar nichts mehr zu fühlen (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
Typische emotionale Symptome bei Depression:
- Anhaltende Traurigkeit, oft ohne konkreten Auslöser
- Verlust der Freude (Anhedonie), auch bei früher als angenehm empfundenen Aktivitäten
- Gefühle von Schuld, Wertlosigkeit oder Versagen
- Hoffnungslosigkeit und Zukunftsangst
- Gefühl, innerlich abgestorben zu sein
- Teilweise auch Selbsthass oder Todesgedanken
Anders als bei ADHS oder Burnout ist das emotionale Tief bei Depression oft dauerhaft und allgegenwärtig, unabhängig von der Tageszeit, Situation oder Aktivität (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
Geschlechtsspezifische Besonderheiten
- Männer zeigen Depressionen oft anders als Frauen: Statt Traurigkeit stehen Reizbarkeit, Aggression oder sozialer Rückzug im Vordergrund.
- Frauen neigen stärker zu Selbstzweifeln, Grübeleien und innerer Unruhe, was auch eine Depression maskieren kann.
- Bei ADHS wird emotionale Impulsivität bei Frauen oft als „Launenhaftigkeit“ fehlinterpretiert, bei Männern als „Temperament“.
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Diagnose & Behandlung: Was hilft wirklich?
Die richtige Diagnose ist entscheidend für eine wirksame Behandlung, besonders wenn sich Symptome überschneiden, wie bei ADHS, Burnout und Depression. Die Diagnostik erfolgt durch
Hausärztinnen und Hausärzte, Psychiaterinnen und Psychiater oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Dabei werden nicht nur die aktuellen Beschwerden betrachtet, sondern auch die persönliche Lebensgeschichte, Vorerkrankungen und aktuelle Belastungssituationen (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
ADHS – Diagnose & Behandlung
Diagnose:
Die Diagnose von ADHS im Erwachsenenalter ist komplex. Sie basiert auf einer Kombination aus strukturierten Interviews, standardisierten Fragebögen, Fremdanamnesen (z. B. durch Angehörige oder Lehrer aus der Kindheit) und klinischer Einschätzung. Ziel ist es, festzustellen, ob die Kernsymptome, Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität, bereits seit der Kindheit bestehen und heute noch relevant sind (Porto, Murgo & de Souza, 2024).
Wichtige Bestandteile der Diagnostik:
- Strukturierte klinische Interviews (z. B. DIVA-2.0 oder CAARS)
- Rückblick auf die Kindheit (ggf. Schulzeugnisse oder Elterninterviews)
- Ausschluss anderer Störungen (z. B. Depression, Angst, Substanzkonsum)
- Erfassung des funktionalen Leidensdrucks im Alltag
Behandlung:
Die Therapie von ADHS setzt sich in der Regel aus mehreren Bausteinen zusammen:
- Psychoedukation: Vermittlung von Wissen über ADHS, Grundlage für den Umgang mit der Störung
- Verhaltenstherapie: Fokus auf Selbstmanagement, Impulskontrolle, Emotionsregulation und Alltagsstrukturierung
- Medikamentöse Therapie: Einsatz von Stimulanzien (z. B. Methylphenidat, Lisdexamfetamin) oder Nicht-Stimulanzien (z. B. Atomoxetin), individuell angepasst
- Coaching oder Ergotherapie: Optional zur Unterstützung im Beruf oder Studium
Burnout: Diagnose & Behandlung
Diagnose:
Burnout ist keine eigenständige Diagnose nach ICD-11, sondern wird oft unter verwandten Kategorien wie „Erschöpfungsdepression“ oder „Anpassungsstörung“ eingeordnet. Die Diagnose erfolgt anhand eines ausführlichen Gesprächs über Symptome, Lebensumstände und Belastungen – insbesondere im beruflichen Kontext (Frontiers Psychiatry, 2009).
Typische Elemente der Burnout-Abklärung:
- Exploration der beruflichen und privaten Stressoren
- Analyse von Veränderungen im Energielevel, Schlafverhalten und emotionalem Empfinden
- Ausschluss körperlicher Ursachen (z. B. Schilddrüsenunterfunktion, Mangelzustände)
- Psychometrische Tests (z. B. Maslach Burnout Inventory, AVEM)
Behandlung:
Die Behandlung zielt auf die Wiederherstellung psychischer Stabilität und die langfristige Stressreduktion:
- Akute Entlastung: Krankmeldung, Rückzug aus belastenden Situationen
- Psychotherapie: Schwerpunkt auf Stressbewältigung, Werteklärung und Grenzen setzen
- Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologische Verfahren, ggf. auch Gruppentherapie
- Medikamentöse Unterstützung: Bei ausgeprägter depressiver Symptomatik (z. B. Antidepressiva)
- Reha-Maßnahmen: Besonders bei lang anhaltender Erschöpfung – Kombination aus Einzelgesprächen, Bewegung, Achtsamkeit, Physiotherapie
Depression: Diagnose & Behandlung
Diagnose:
Die Diagnose einer Depression erfolgt nach standardisierten Kriterien der ICD-11 bzw. DSM-5. Zentrale Merkmale sind anhaltende Niedergeschlagenheit, Interessenverlust und Energieverlust über mindestens zwei Wochen. Ergänzt wird die Diagnostik durch körperliche Abklärung und psychologische Testverfahren (Frontiers Psychiatry, 2009).
Typische Kriterien in der Diagnostik:
- Mindestens zwei Hauptsymptome: gedrückte Stimmung, Interessensverlust, Antriebslosigkeit
- Mindestens zwei Zusatzsymptome: Schlafstörungen, Schuldgefühle, Appetitveränderung, Konzentrationsprobleme, Suizidgedanken
- Differenzialdiagnose: Abgrenzung zu Burnout, ADHS, Angststörungen
- Selbstbeurteilungsinstrumente: z. B. Beck-Depressions-Inventar (BDI-II), PHQ-9
Behandlung:
Die Therapie hängt von der Schwere der Depression ab:
- Leichte Depressionen: oft ausreichend durch Psychotherapie, v. a. Verhaltenstherapie oder achtsamkeitsbasierte Ansätze
- Mittelschwere bis schwere Depressionen: Kombination aus Psychotherapie und Antidepressiva (z. B. SSRIs, SNRIs)
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): hilft beim Umgang mit negativen Gedankenmustern
- Tiefenpsychologische Verfahren: besonders bei konflikthaftem Erleben oder chronischer Belastung
- Bei schwerem Verlauf: ggf. stationäre Behandlung, tagesklinische Therapie oder EKT in spezialisierten Kliniken
Wichtig: Die Abgrenzung ist nicht immer eindeutig, eine Kombination mehrerer Diagnosen ist möglich. Daher ist eine präzise, fachlich fundierte Diagnostik durch erfahrene Fachpersonen unerlässlich (Frontiers Psychiatry, 2009).
So unterscheidest du ADHS, Burnout & Depression im Alltag
Die Symptome von ADHS, Burnout und Depression überschneiden sich in vielen Bereichen – besonders, wenn Erschöpfung, Konzentrationsprobleme oder Antriebslosigkeit im Vordergrund stehen. Dennoch gibt es im Alltag einige Anhaltspunkte, die helfen können, eine erste Orientierung zu gewinnen. Die folgende Übersicht zeigt typische Merkmale, die bei der Unterscheidung helfen (Frontiers et al., 2023).
Kurzübersicht zur ersten Einordnung:
- ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)
- Probleme mit Organisation, Planung und Priorisierung
- Schwierigkeiten, Aufmerksamkeit längere Zeit auf eine Sache zu richten
- Reizoffenheit, Gedankensprünge, Vergesslichkeit
- oft innere Unruhe, „Getriebenheit“ oder impulsives Verhalten
- Symptome bestehen in der Regel seit der Kindheit
- Aufgaben werden häufig aufgeschoben, Zeitgefühl ist oft gestört (Review, 2021)
- Burnout
- Erschöpfung durch chronische Überlastung – meist im beruflichen Kontext
- Anfangsphase oft geprägt von übermäßigem Engagement und Perfektionismus
- Rückzug, emotionale Erschöpfung, Zynismus, Leistungsabfall
- häufig verbunden mit Schlafstörungen, Muskelverspannungen und psychosomatischen Beschwerden
- entwickelt sich schleichend über Wochen oder Monate
- oft das Gefühl: „Ich funktioniere nur noch – aber ich lebe nicht mehr“ (Review, 2021)
- Depression
- anhaltend niedergeschlagene Stimmung ohne erkennbare Ursache
- Interessenverlust, Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit
- starker Rückzug, Freudlosigkeit, innere Leere
- häufig Schuldgefühle, Hoffnungslosigkeit und Selbstwertzweifel
- Schlaf- und Appetitstörungen, innere Leere oder völlige Antriebslosigkeit
- Symptome können in allen Lebensbereichen auftreten, unabhängig von äußeren Belastungen (Review, 2021)
Alltagstypische Situationen und Unterschiede
| Situation | ADHS | Burnout | Depression |
| Aufgabenstrukturierung | Schwierigkeiten beim Planen und Priorisieren | Aufgaben erscheinen zu viel, Erschöpfung | Kein Antrieb oder Interesse, selbst bei einfachen Aufgaben |
| Motivation | Motivation wechselt schnell, Aufschieberitis | Motivation war da, ist aber „verloren gegangen“ | Keine Motivation, oft auch kein Wunsch nach Veränderung |
| Soziale Kontakte | Redselig, manchmal unbedacht oder zu impulsiv | Rückzug aus Zeitgründen oder wegen Reizbarkeit | Rückzug aus Antriebslosigkeit und Gefühl von Wertlosigkeit |
| Emotionen | Schnell reizbar, Stimmung schwankt stark | Erhöhte Reizbarkeit, emotionale Erschöpfung | Andauernde Traurigkeit, Leere, Selbstzweifel |
| Zeitgefühl | Zeit wird unterschätzt, häufig verspätet | Termindruck macht Druck und löst Stress aus | Zeit wirkt oft bedeutungslos oder „schwerfällig“ |
Wichtige Hinweise zur Abgrenzung
- ADHS zeigt sich meist bereits in der Kindheit, die Symptome ändern sich mit dem Alter, verschwinden aber selten vollständig (Tenev, 2024).
- Burnout entsteht durch eine anhaltende Überlastung, vor allem durch äußere Anforderungen. Es ist ein Zustand, der sich langsam entwickelt, meist aus einem anfangs hohen Engagement heraus (Tenev, 2024).
- Depression kann auch ohne erkennbare Ursache auftreten. Sie betrifft oft die gesamte Lebensführung, nicht nur einzelne Bereiche wie Arbeit oder Beziehungen (Tenev, 2024).
Fazit: Die Unterschiede kennen – und ernst nehmen
ADHS, Burnout und Depression sind keine Modeerscheinungen, sie betreffen das Denken, Fühlen und Handeln tiefgreifend. Eine klare Abgrenzung ist nicht immer leicht, besonders wenn sich Symptome überschneiden oder mehrere Diagnosen gleichzeitig vorliegen.
Umso wichtiger ist es, die eigene Situation ernst zu nehmen:
- Wenn du dich überfordert, chronisch erschöpft oder innerlich leer fühlst
- Wenn du merkst, dass deine Leistungsfähigkeit nachlässt, ohne äußeren Grund
- Oder wenn dein Alltag nur noch aus Pflichtgefühl besteht, ohne Freude oder Motivation
Dann ist der wichtigste Schritt: Hilfe suchen.
Psychotherapeutische Gespräche, ärztliche Abklärung und fundierte Diagnostik helfen, Klarheit zu bekommen. Denn nur wer weiss, woran er oder sie leidet, kann gezielt gegensteuern, und langfristig wieder Stabilität und Lebensqualität aufbauen.