Eliminationsdiäten bei ADHS: 3 Modelle im Vergleich

Veröffentlicht am: 01. Oktober 2025
Zuletzt ärztlich geprüft am: 07. Oktober 2025

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Porträt von Dr. med. Jens Westphal, Praktischer Arzt FMH und medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch. Er begleitet Patientinnen und Patienten in der Schweiz bei der Abklärung und Behandlung von ADHS. Das Bild zeigt ihn vor einem klaro-Hintergrund als Teil des ärztlichen Teams für ADHS Schweiz.

Dr. med. Jens Westphal

ADHS-Spezialist und Praktischer Arzt (FMH)
Dr. med. Jens Westphal ist Praktischer Arzt (FMH) mit langjähriger Erfahrung in der hausärztlichen Versorgung und Psychiatrie. Er ist medizinischer Reviewer bei klaro-adhs.ch und prüft alle Inhalte rund um ADHS, Diagnostik und Therapie auf wissenschaftliche Genauigkeit und praktische Umsetzbarkeit in der Schweizer Grundversorgung.

Inhaltsverzeichnis

Eine Eliminationsdiät ist ein gezielter diagnostisch-therapeutischer Ansatz, bei dem bestimmte Lebensmittel aus dem Speiseplan entfernt werden, um potenzielle Auslöser von ADHS-Symptomen zu identifizieren. Die Idee dahinter: Manche Nahrungsmittel oder -bestandteile können Unruhe, Konzentrationsprobleme oder Impulsivität verstärken (Pelsser et al., 2011). Die Diät gliedert sich typischerweise in zwei klar strukturierte Phasen:

Phase 1: Auslassphase

  • Dauer: meist 2–4 Wochen
  • Ziel: Ausschluss potenziell problematischer Lebensmittel (z. B. künstliche Zusatzstoffe, Gluten, Milchprodukte)
  • Ernährung: Nur wenige, als besonders verträglich geltende Nahrungsmittel wie Reis, Kartoffeln, bestimmte Gemüse- und Fleischsorten

Phase 2: Wiedereinführungsphase

  • Ablauf: Schrittweise Wiederaufnahme einzelner Lebensmittel (alle 3–7 Tage eines)
  • Beobachtung: Dokumentation von Verhaltensänderungen und körperlichen Reaktionen
  • Hilfsmittel: Ernährungstagebuch, Verhaltenserhebungsbögen, ggf. schulische Einschätzungen

Am Ende steht eine individuell angepasste Ernährung, bei der nur solche Lebensmittel dauerhaft gemieden werden, die nachweislich Symptome verschlechtern. So lassen sich Einschränkungen gezielt und effektiv umsetzen (Pelsser et al., 2011).

Vorteile einer Eliminationsdiät:

  • Erkennung individueller Unverträglichkeiten
  • Symptomverbesserung ohne Medikamente
  • Bessere Lebensqualität durch gezielte Ernährung
  • Reduktion unnötiger Verbote bei gut verträglichen Lebensmitteln

Wichtig: Eine Eliminationsdiät sollte immer durch Fachpersonen begleitet werden, z. B. Ärzt:innen oder Ernährungstherapeuten, um Mangelernährung und Fehleinschätzungen zu vermeiden (Sonuga-Barke et al., 2013).

Modell 1: Oligoantigene Diät

BeschreibungEin Blister mit grün-weissen Kapseln liegt auf einer hellen Oberfläche. Solche Medikamente werden in der Behandlung von ADHS Schweiz häufig verwendet, um Symptome wie Konzentrationsstörungen zu verbessern. Die genaue Medikation erfolgt dabei immer individuell und unter ärztlicher Aufsicht.

Die oligoantigene Diät, auch Few-Foods-Diet genannt, ist die am besten erforschte Form der Eliminationsdiät bei ADHS. Ziel ist es, durch eine stark eingeschränkte Auswahl besonders verträglicher Lebensmittel herauszufinden, welche Nahrungsmittel ADHS-Symptome verschlimmern (Sonuga-Barke et al., 2013).

Ablauf

  • Strenge Auslassphase (ca. 4 Wochen):
    • Nur hypoallergene Lebensmittel erlaubt: z. B. Reis, Kartoffeln, Lamm, Zucchini, Brokkoli
    • Flüssigkeitszufuhr über Wasser und milde Öle
  • Wiedereinführung:
    • Alle 3–7 Tage ein neues Lebensmittel
    • Dokumentation von Symptomen im Ernährungstagebuch
    • Bei Auffälligkeiten: Lebensmittel wieder streichen

Vorteile

Nachteile

  • Sehr zeitintensiv, oft mehrere Monate nötig
  • Hohe Anforderungen an Dokumentation und Durchhaltevermögen
  • Stark eingeschränkte Lebensmittelauswahl zu Beginn
  • Fachliche Begleitung zwingend notwendig

Hinweis: Ideal für Familien, die motiviert sind und alternative oder ergänzende Wege zur medikamentösen Therapie suchen (Sonuga-Barke et al., 2013).

Modell 2: Eliminationsdiät von Zusatzstoffen

Beschreibung

Hierbei werden gezielt Lebensmittel mit künstlichen Zusatzstoffen wie Farb-, Konservierungs- oder Aromastoffen vermieden. Der Fokus liegt auf sogenannten Azo-Farbstoffen und Stoffen wie Natriumbenzoat, die im Verdacht stehen, hyperaktives Verhalten zu verstärken (Nigg et al., 2012).

Auszuschließende Inhaltsstoffe:

  • Künstliche Farbstoffe: E102, E104, E110, E122, E124, E129
  • Konservierungsstoffe: Natriumbenzoat (E211)
  • Künstliche Süßstoffe: Aspartam, Saccharin
  • Nicht-natürliche Aromastoffe & Geschmacksverstärker

Tipp: Beim Einkauf auf die Zutatenliste achten, je kürzer, desto besser. Faustregel: Keine Produkte mit mehr als fünf Zusatzstoffen oder schwer aussprechbaren Zutaten (Nigg et al., 2012).

Vorteile

  • Einfacher Einstieg ohne aufwendige Vorbereitungen
  • In der EU gute Kennzeichnungspflicht, hohe Transparenz
  • Erste Effekte oft rasch sichtbar
  • Besonders hilfreich bei bekannter Zusatzstoff-Sensitivität

Nachteile

  • Nicht alle Kinder mit ADHS reagieren auf Zusatzstoffe
  • Uneinheitliche Studienlage
  • Kein diagnostischer Erkenntnisgewinn über individuelle Unverträglichkeiten
  • Eher geeignet für milde Ausprägungen oder zur ersten Orientierung

Hinweis: Guter Ausgangspunkt für Eltern, die eine einfach umsetzbare Diät ausprobieren möchten, bevor komplexere Modelle getestet werden (McCann et al., 2007).

Modell 3: Zuckerarme Ernährung

Beschreibung

Die zuckerarme Ernährung basiert auf der Annahme, dass hoher Zuckerkonsum ADHS-Symptome wie Reizbarkeit und Konzentrationsprobleme verstärken kann. Besonders süße Getränke stehen im Fokus dieser Diät (McCann et al., 2007).

Empfehlungen für den Alltag

Eine weisse Medikamentenflasche mit der Aufschrift „Ritalin HCl 10 mg“ steht auf einem dunklen Hintergrund. Ritalin ist eines der bekanntesten Medikamente, das auch bei ADHS Schweiz regelmässig eingesetzt wird, um die Aufmerksamkeitsleistung zu steigern. Eine genaue Dosierung ist dabei entscheidend für den Therapieerfolg.Vorteile

  • Allgemein gesundheitsförderlich: Positive Effekte auf Gewicht, Zähne und Energiehaushalt
  • Niedrige Einstiegshürde: Gut in den Familienalltag integrierbar
  • Nachhaltige Veränderung des Essverhaltens möglich
  • Erste Studien zeigen Verbesserungen bei hohem Zuckerkonsum

Nachteile

  • Keine eindeutige wissenschaftliche Evidenz für ADHS-spezifische Wirkung
  • Individuelle Unterschiede, nicht jedes Kind reagiert
  • Kein diagnostischer Mehrwert hinsichtlich spezifischer Unverträglichkeiten

Hinweis: Besonders geeignet als Einstieg in eine bewusste, gesündere Ernährung, unabhängig von einer ADHS-Diagnose (Schab & Trinh, 2004).

Fazit: Welche Diät ist die richtige?

Eliminationsdiäten bieten für bestimmte Kinder mit ADHS eine vielversprechende Möglichkeit zur Reduktion der Symptome. Die Wahl des Modells hängt stark von der individuellen Situation, der Belastbarkeit der Familie und der Zielsetzung ab:

  • Oligoantigene Diät: wissenschaftlich am besten belegt, aber aufwendig
  • Zusatzstoff-Diät: einfach umsetzbar, aber begrenzt wirksam
  • Zuckerarme Ernährung: gesundheitlich sinnvoll, aber mit unklarem Effekt auf ADHS

Empfehlung:

  • Fachliche Begleitung durch Ernährungsberatung oder Ärzt:innen ist essenziell
  • Geduld und konsequente Durchführung sind entscheidend für den Erfolg
  • Keine Diät sollte ohne fundierte Beratung begonnen werden

Eine individuell abgestimmte Ernährung kann bei ADHS zwar keine Wunder bewirken, aber für viele Familien eine wertvolle Ergänzung zur Therapie darstellen, und langfristig zu einem gesünderen Lebensstil beitragen.

Rezensentenblock

Porträt von Dr. Almedina Berisha, Ärztin im Team von klaro-adhs.ch. Sie unterstützt Patientinnen und Patienten bei der Diagnostik und Therapie von ADHS in der Schweiz. Das Bild zeigt sie im weissen Arztkittel mit Stethoskop vor einem klaro-Hintergrund.

Almedina Berisha

Ärztin Innere Medizin
Almedina Berisha ist Ärztin für Innere Medizin in der Schweiz mit besonderem Interesse an psychosomatischen Zusammenhängen und neurobiologischen Faktoren von ADHS. Sie prüft medizinische Inhalte auf klaro-adhs.ch auf wissenschaftliche Genauigkeit, klinische Relevanz und patientenverständliche Darstellung. Ihr Fokus liegt auf einer praxisnahen Vermittlung komplexer Themen der Erwachsenenmedizin und psychischen Gesundheit.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

  • Menschen mit ADHS sollten stark verarbeitete Lebensmittel, künstliche Zusatzstoffe und übermässig zuckerhaltige Produkte möglichst meiden. Besonders problematisch sind Farbstoffe wie E102 (Tartrazin), E110 (Gelborange) oder E129 (Allurarot) sowie Konservierungsstoffe wie Natriumbenzoat. Auch Softdrinks, Energy-Drinks und Fertigprodukte können die Symptome verstärken, da sie Blutzuckerschwankungen und innere Unruhe fördern.

Quellenverzeichnis

  1. Pelsser, L. M., Frankena, K., Toorman, J., Savelkoul, H. F., Dubois, A. E. J., Rodrigues Pereira, R., Haagen, T. A., Rommelse, N. N. J., & Buitelaar, J. K. (2011). Effects of a restricted elimination diet on the behaviour of children with attention-deficit hyperactivity disorder (INCA study): A randomised controlled trial. The Lancet, 377(9764), 494–503. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21296237
  2. Sonuga-Barke, E. J. S., Brandeis, D., Cortese, S., Daley, D., Ferrin, M., Holtmann, M., … European ADHD Guidelines Group. (2013). Nonpharmacological interventions for ADHD: Systematic review and meta-analyses of randomized controlled trials of dietary and psychological treatments. American Journal of Psychiatry, 170(3), 275–289. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23360949/
  3. Nigg, J. T., Lewis, K., Edinger, T., & Falk, M. (2012). Meta-analysis of attention-deficit/hyperactivity disorder or attention-deficit/hyperactivity disorder symptoms, restriction diet, and synthetic food color additives. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 51(1), 86–97.e8. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22176942/
  4. McCann, D., Barrett, A., Cooper, A., Crumpler, D., Dalen, L., Grimshaw, K., … Stevenson, J. (2007). Food additives and hyperactive behaviour in 3-year-old and 8/9-year-old children in the community: A randomised, double-blinded, placebo-controlled trial. The Lancet, 370(9598), 1560–1567. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17825405/
  5. Schab, D. W., & Trinh, N. H. (2004). Do artificial food colors promote hyperactivity in children with hyperactive syndromes? A meta-analysis of double-blind placebo-controlled trials. Journal of Developmental & Behavioral Pediatrics, 25(6), 423–434. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15613992/
  6. Rytter, M. J. H., Andersen, L. B. B., Houmann, T., Bilenberg, N., Hvolby, A., Mølgaard, C., Michaelsen, K. F., & Lauritzen, L. (2015). Diet in the treatment of ADHD in children—A systematic review of the literature. Nordic Journal of Psychiatry, 69(1), 1–18. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25037874/
  7. Huberts-Bosch, A., Bierens, M., Ly, V., van der Velde, J., de Boer, H., van Beek, G., … Rommelse, N. N. J. (2024). Short-term effects of an elimination diet and healthy diet in children with attention-deficit/hyperactivity disorder: A randomized-controlled trial. European Child & Adolescent Psychiatry, 33, 1503–1516. https://link.springer.com/article/10.1007/s00787-023-02256-y

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